Das Portrait
: Ein kompatibler Politiker

■ Radu Vasile

Radu Vasile strahlte wie ein kleines Kind, als er am letzten Donnerstag zusammen mit dem rumänischen Staatspräsidenten Emil Constantinescu vor die Kameras trat und dieser ihn für das Amt des Ministerpräsidenten nominierte. Keine zwei Stunden nach dem Auftritt mit dem weltlichen Oberhaupt Rumäniens machte er einem anderen Oberhaupt seine Aufwartung, nämlich dem der rumänischen-orthodoxen Kirche: dem Patriarchen Teoctist, der zeitlebens alle Mächtigen Rumäniens gesegnet hatte, einschließlich des Diktators Ceausescu.

Vielleicht noch inniger als seine Sehnsucht, sich mit allen gutzustellen, ist Vasiles Drang nach Macht. Schon vor sechzehn Monaten, nach dem Wahlsieg der demokratischen Opposition gegen das neokommunistische Regime des ehemaligen Staatspräsidenten Ion Iliescu, wünschte sich Radu Vasile den Posten des Regierungschefs. Noch wochenlang stand ihm der Ärger ins Gesicht geschrieben, daß nicht er, sondern Victor Ciorbea Premier wurde.

Nun, am Ziel seiner Wünsche, sonnt er sich in der Rolle eines Politikers, der von ausnahmslos allen Kollegen anerkannt und gelobt wird. Eines seiner Lieblingswörter lautet: Kompatibilität. Und befragt, wie er mit zukünftigen Konflikten in der Regierung umgehen werde, antwortete er: „Über alles läßt sich verhandeln.“

Radu Vasile verkörpert den rumänischen Politiker schlechthin. Geboren 1942, studierte er Geschichte und Wirtschaft, lehrte vor 1989 an der Universität für ökonomische Studien und war selbstredend Parteimitglied. Seit 1990 Mitglied der Christdemokratischen Bauernpartei und Abgeordneter des Senats, der Oberkammer des rumänischen Parlaments, pflegte er zu allen Kollegen freundschaftliche Beziehungen. Sein Umgangs- und Redestil entspricht selten den Konventionen. Bald grob, bald unangenehm jovial, meistens lächelnd, erweckt Radu Vasile nur einen Eindruck nicht: den eines Menschen, der etwas Bedeutendes zu sagen hat.

Mit seiner Nominierung für das Amt des Ministerpräsidenten hat er zugleich auch seine Position in der Bauernpartei gefestigt – gegen die Generation der „alten Männer“, die bisher die moralistische, streng antikommunistische Linie der Partei prägten. In Rumäniens neuer Regierung wird es deshalb in Zukunft weitaus weniger Konflikte geben. Keno Verseck