Laurent Kabila kämpft an allen Fronten gegen Feinde

■ Der Staatschef der Demokratischen Republik Kongo, Laurent Kabila, hat die größte Menschenrechtsorganisation verbieten lassen. Er fürchtet die Macht der zivilen Organisationen

Berlin (taz) – Die größte und bekannteste Menschenrechtsorganisation der Demokratischen Republik Kongo, Azadho, ist von der Regierung aufgelöst worden. Zur Begründung erklärte Justizminister Mwenze Kongolo am vergangenen Freitag, die Organisation sei „illegal“ und „engagiert sich in politischen Kampagnen, anstatt objektive Berichte zu machen“. Azadho sei „unpatriotisch“ und „erhalte Geld aus dem Ausland“. Den übrigen Menschenrechtsorganisationen gab er drei Tage Zeit, um sich offiziell registrieren zu lassen, da „die meisten dieser Organisationen, die viel Krach machen und die Regierung destabilisieren wollen, illegal sind“.

Die Frage der Menschenrechte ist seit langem ein Streitpunkt zwischen der Regierung Laurent Kabilas und der Weltgemeinschaft. Die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen, die aufklären soll, ob Kabilas Truppen während des Bürgerkriegs Massaker an ruandischen Hutu-Flüchtlingen verübt haben, wird noch immer behindert.

Die Probleme zwischen Azadho und Regierung hatten Mitte März begonnen, als der Jahresbericht der Organisation mitsamt den Druckplatten vor seiner Veröffentlichung konfisziert wurde. Darin werden auf über 60 Seiten minutiös die Menschenrechtsverletzungen unter Diktator Mobutu aufgelistet – und die unter dem neuen Präsidenten Laurent Kabila.

„Mit der Ankunft der AFDL- Truppen“, heißt es in dem Bericht, „wurde eine neue Form öffentlicher Folter eingeführt. Je nach Alter bekommt ein Individuum eine bestimmte Zahl von Schlägen mit Riemen oder Stöcken. Die AFDL- Soldaten nennen das ,Fimbo za Ujinga‘ oder die ,Schläge der Ignoranz‘, mit denen Menschen gemaßregelt werden, denen Gesetzesverstöße vorgeworfen werden. (...) Im Vergleich zu den Soldaten Mobutus sind die Folterpraktiken der AFDL-Soldaten systematisiert und methodischer geworden. (...) Seit dem Triumph der AFDL hat die Brutalität gegen Frauen und Kinder zugenommen. Die Vergewaltigung von Frauen und jungen Mädchen wird zum Teil als Technik der Unterdrückung angewendet.“

Besonders kritisch wird bemerkt, daß es unter dem neuen Regime einen rechtlosen Raum gebe. Niemand wisse, wer nun welche Befugnisse habe, die Gerichte seien wegen Materialmangel und nicht gezahlten oder zu niedrigen Gehältern nicht funktionsfähig.

Neben den Akten von Folterung, willkürlichen Verhaftungen, spurlosem Verschwinden von Regimegegnern und Parteienverbot wird auch die Einschüchterung der Presse besonders erwähnt. Journalisten werden verhaftet und unter Druck gesetzt, Zeitungsredaktionen zerstört. Die „schüchterne Tendenz im Staatsradio und Fernsehen“, pluralistisch zu berichten, ist seit der Machtergreifung der AFDL „schnell zugunsten der Lobgesänge auf die neue Regierung erstickt worden. Reportagen über Oppositionsparteien werden nicht mehr geduldet, (...) und die Lobeshymnen, die den Präsidenten als ,Gesandten Gottes‘ darstellen, erinnern an die traurige Epoche der Staatspartei unter Mobutu“.

Auch die Arbeit von Menschenrechtsaktivisten wird im Azadho- Bericht als höchst problematisch angesehen. Azadho selbst wurde während des Krieges von der alten Regierung als Agent Kabilas bezeichnet – und der wiederum stellt sie heute als Interessenvertreter der Mobutisten dar.

Tatsächlich hat die Regierung Kabila seit ihrer Machtübernahme im Mai 1997 mit einer starken Zivilgesellschaft zu kämpfen. Aufgrund des Zusammenbruchs des Staates und der Anarchie unter Mobutu sind hier an der Spitze der regierungsunabhängigen Organisationen regelrechte Barone herangewachsen, die mit Hilfe von ausländischen Geldern Sektoren übernommen haben, die eigentlich zu den Aufgaben des Staates gehören: Gesundheit, Bildung, ländliche Entwicklung und so weiter – eine zivile Gegenmacht. Von diesen kommt die stärkste Kritik am Einfluß der Tutsis und der Nachbarländer Ruanda und Uganda. So geht auch der Azadho-Bericht speziell auf die Lage im Kivu ein und kritisiert das Verhalten der ruandischen Truppen, die zum Beispiel am 31. August letzten Jahres das Dorf Buriramba „angreifen und die gesamte Bevölkerung massakrieren“.

„Azadho war sich der Gefahr bewußt“, daß eine Menschenrechtsorganisation in einer Zeit, die offiziell als „Befreiung“ charakterisiert wird, leicht als „notorischer Kritiker“ angesehen wird. Trotzdem wolle „man seiner Tradition treu bleiben“, schreibt Präsident Guillaume Ngefa, der seit der Machtergreifung Kabilas im Exil in der Schweiz lebt.

Kabila ist sich einer Sache nun auch bewußt: Seine Feinde sind nicht mehr nur unter den Aktivisten der Oppositionsparteien und den ehemaligen Mobutisten zu suchen, sondern auch in der Zivilgesellschaft. Markus Bauer