Gauck-Behörde wertet Fuchs-Roman aus

■ Namen und Charakterisierungen des Romans „Magdalena“ aufgelistet. Bürgerrechtler: Erstes Nach-Stasi-Überwachungsprotokoll

Berlin (taz) – Unerwartetes aus dem Hause Gauck. Wie andere Zeitungen auch erhielt gestern die taz eine Liste mit über 50 ehemaligen oder aktuellen Mitarbeitern der Behörde. In drei Rubriken, jeweils mit „Name“, „Seite“ und „Thema“ übertitelt, wird Jürgen Fuchs' Roman „Magdalena“ systematisch nach Erwähnungen durchgekämmt. Das Ganze sieht aus wie eine systematische Recherche und ist es auch. Laut Anfrage bei der Gauck-Behörde handelt es sich bei der Liste um eine Auftragsarbeit des Justitiars. Zweck der Übung: Es soll überprüft werden, ob gegen Mitarbeiter der Behörde von Jürgen Fuchs ungerechtfertigte Beschuldigungen erhoben oder Äußerungen von ihnen falsch zitiert worden sind. Dies mit der Absicht, gegebenenfalls die Gerichte zu bemühen.

Die Behörde legte gestern Wert auf die Feststellung, daß Joachim Gauck diese Liste weder veranlaßt noch von ihren Ergebnissen unterrichtet worden sei.

Die literarische Fleißarbeit mehrerer Mitarbeiter der Behörde förderte allerdings einige Merkwürdigkeiten zutage. So heißt es unter der Rubrik „Thema“ bei Renate Ellmenreich von der Außenstelle Gera: „Fall Domasck (ein verfolgter und verstorbener Bürgerrechtler aus Thüringen, d. R.), gemeinsame Tochter, immer wohlwollend, häufig zusammen mit Andreas Schmidt (ein weiterer Bürgerrechtler und Mitarbeiter der Behörde d. R.) erwähnt“. Inwieweit ist eine wohlwollende Meinung von Fuchs über Frau Ellmenreich interessant für den Justitiar der Gauck-Behörde? Ähnlich die „Thema“-Rubrik zu Dr. Hubertus Knabe: „BF-Veranstaltung, Charakterisierung (positiv). Antragstellung des Autors“. Prozeßrelevante Information oder ein diskreter Blick auf mögliche Freunde von Jürgen Fuchs innerhalb der Behörde? Erstaunlich auch, daß mit Roland Jahn und Guntolf Herzog (gemeint ist offenbar G. Herzberg, d. R.) ehemalige Mitarbeiter erwähnt werden, „ehemalige Angestellte, Bürgerkomitee“, obwohl sich keine weiteren relevanten Informationen aus Fuchs' Buch für die Rubrik „Thema“ ergeben. Das sieht etwas nach der Rekonstruktion eines Informationsnetzes aus. Etwas Aufklärung wäre nicht schlecht.

Bislang war von einer Überprüfung von Fuchs' Roman unter dem Aspekt rechtlicher Konsequenzen nicht die Rede gewesen. Die Reaktion aus dem Milieu einiger ehemaliger Bürgerrechtler auf die „Liste“ war gestern ziemlich scharf. Die Rede war vom ersten Nach- Stasi-Überwachungsprotokoll der Gauck-Behörde. Ziel der Liste sei es, Kritiker zu erfassen, zu überwachen und zu kontrollieren. Andrea Lehmann