Party ohne Räumkommando

Wegen eines Formfehlers mußte die Polizei ihre Teilnahme an der gestrigen Räumungsparty im Tacheles abgesagen. Die übrigen Gäste schwankten zwischen Depression und Freude  ■ Von Peter Kasza

„Die lange Nacht der Räumung?“ Das Fragezeichen am Ende des Veranstaltungsmottos war mit Bedacht gewählt. Man war sich ziemlich sicher, aber eben doch nicht hundertprozentig. Am Montag vormittag hatte Tacheles- Vorstandsmitglied Peter Langbauer ein Gerücht aufgeschnappt, nach dem das Café Zapata in der Nacht von Montag auf Dienstag geräumt werden soll. Vier Stunden hatte er mit Behörden und Investoren telefoniert, hatte keine Bestätigung des Gerüchts erfahren, aber eben auch kein Dementi. Dann informierte er die Presse: Heute abend ab 22 Uhr Räumungsparty im Tacheles. Mal wieder, zum sechsten Mal.

Und sie kamen zahlreich. 200 Menschen drängten sich gegen Mitternacht im Café. „Die Stimmung ist seltsam. Nicht fröhlich, nicht resigniert“, sagt Robert. Einige tanzen, einige spielen Backgammon, alle trinken – Rotwein zumeist. Man wartet im Tacheles. Man wartet auf die Räumung.

Viel Presse ist da. Und die streut Gerüchte. Mal munkelt man, zwischen 22 und 6 Uhr könne wegen Ruhestörung ohnehin nicht geräumt werden. Mal heißt es, die Räumung falle gänzlich ins Wasser, weil dem Gerichtsvollzieher ein Formfehler unterlaufen sei. Nur bei einem sind sich alle sicher: Die Räumung ist angesetzt. Das bestätigt sogar die Polizei, aber erst am nächsten Tag.

Das Programm für diesen Abend ist aus dem Boden gestampft. Eine südamerikanische Band ist da, mehrere DJs und Mex Schlüpfer. Der klampft durch die Gegend, ein bißchen „wild thing“, ein bißchen Improvisation. Dann geht es los: Um 2.30 Uhr kommen drei Polizisten durch die Hintertür. Das Räumungskommando wird johlend begrüßt. „Hui, das hebt die Stimmung“, schreit Robert. Drei Mann gegen 70 Tacheles-Verteidiger? „Nein“, beruhigt ein Polizist, „wir sind nicht das Räumkommando.“ Man habe eine Beschwerde wegen Ruhestörung von den Nachbarn erhalten, sagt er und ist bald wieder verschwunden. „Das war die Vorhut. Die wollten mal die Lage sondieren“, deutet Peter Langbauer das Erscheinen. Schon als das Fest angefangen habe, hätten etliche Zivilpolizisten „herumgelungert“.

„Eigentlich ist hauptsächlich Partypublikum da, weniger Leute, die aus Idealismus das Tacheles retten wollen“, sagt Jens. Auch er hat seinen Schlafsack nur zufällig dabei, auch er hat nicht vor, hier zu nächtigen, um nur ja nicht die Räumung zu verpassen. Um 4 Uhr 30 ist Jens verschwunden und mit ihm die meisten anderen. Jetzt wird nichts mehr passieren. Diejenigen, die noch verharren, schwanken zwischen Depression und Freude.

Warum wurde wieder nicht geräumt. „Die Oberfinanzdirektion hat uns um Amtshilfe gebeten, hat es sich jedoch anders überlegt“, läßt die Polizei verlauten. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, sagt die Oberfinanzdirektion. Die Entscheidung, nicht zu räumen, sei auf einen Formfehler zurückzuführen. Der Gerichtsvollzieher hatte Ludwig Eben als vermeintlichem Pächter des Cafés Zapata einen Vollzugsbeschluß zugestellt. Doch Eben ist nicht mehr Pächter. Vollzugsbeschluß an den Absender zurück! „Aber nur durch einen Formfehler lassen die sich nicht abhalten. Ich bin überzeugt, daß die breite Unterstützung eine große Rolle gespielt hat“, meint Langbauer.

Britta ist irgendwie sauer, als sie um 6 Uhr endlich von Wein auf Kaffee umsteigt. Ich fühle mich verarscht, lallt sie. Schon wieder keine Räumung. „Machste nix, kommen die Bullen. Machste was, kommen se nich', und alle stehen doof da“, faßt Langbauer das Dilemma zusammen. Das Programm geht indes weiter. Die nächste Räumungsparty gibt es vermutlich erst in ein paar Monaten. Durch den Wechsel des Pächters muß vermutlich eine neue Räumungsklage eingereicht werden. Und das kann dauern.