Kommentar
: Wahlkampfschlager

■ Die Ökosteuer hat den europäischen Nachbarn nicht geschadet

Die Debatte um die Ökosteuer hat sich endlich aus dem Schatten von Hintzes Zapfsäule gelöst. Verlogen ist sie freilich immer noch. Es ist dem Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, zu danken, daß er sich für Energiesteuern ausgesprochen hat. Niemand kann nach dieser Seligsprechung aus dem Zentrum des deutschen Kapitals Ökosteuerfans noch als Träumer oder Spinner diffamieren, die von Wirtschaft keine Ahnung hätten. Eine Einschränkung machte allerdings auch Walter: Deutschland dürfe Benzin im Alleingang durchaus teurer machen, nicht aber Strom, Gas und Heizöl für die Industrie. Auch Schäubles Wahlprogrammentwurf enthält diesen Europa-Vorbehalt. Wie überhaupt die meisten Ökosteuerbefürworter jenseits der Grünen solcherlei Einschränkungen machen.

Der Verweis auf Europa aber ist aus drei Gründen unlauter: Erstens gibt es Nachbarn, wie Holland, Dänemark und Großbritannien, die bereits Ökosteuern eingeführt haben. Keinem wurde dies zum Verhängnis – im Gegenteil. Alle drei haben in den vergangenen Jahren mehr Jobs geschaffen als Deutschland. In Dänemark etwa, das schon 1992 Energiesteuern einführte, seit 1996 auch für die Industrie, hat die Arbeitslosigkeit in fünf Jahren um ein Drittel abgenommen. Zweitens hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schon 1994 vorgerechnet, daß ein nationaler Alleingang in der Energiesteuer der Wirtschaft nicht schadet, sondern sogar neue Jobs schafft. Bis 1995 sahen das Angela Merkel und Wolfgang Schäuble ebenso.

Schließlich gibt es, so die Erfahrung, in der Europäischen Union keine Durchbrüche für mehr Innovationen, solange es keinen nationalen Vorreiter gibt. Bestes Beispiel ist der Klimaschutz, wo Bundeskanzler Helmut Kohl selbst durch einen Alleingang Politik machte. Mit seiner anspruchsvollen Selbstverpflichtung zum Klimaschutz zog er die anderen EU-Staaten mit. Während aber mit dem Verweis auf Europa seit Jahren Energiesteuern abgebügelt werden, erleben wir eine schleichende Antiökosteuerreform: Die Lohnkosten steigen und steigen, Energie wird immer billiger. Seit der Wiedervereinigung nahm der Anteil der Steuer- und Abgabenlast auf die Lohnkosten um ein Drittel zu, die bisherigen Abgaben auf Energie, vor allem Mineralölsteuer, sanken derweil um ein Neuntel. Die Folgen sind bekannt. Matthias Urbach