Der heiße Draht zum Heiland

■ Es ostert: Das Metropolis und das B-Movie zeigen Passionsfilme ganz unterschiedlicher Machart

„Du sollst dir kein Bild machen“– der Verstoß gegen das Verbot ist für den Christen die süßeste Sünde, für den Filmemacher zumal. Die Bibel liefert das beste adaptierte Drehbuch, die besten Darsteller, die schönsten Schauplätze und die tollsten Effekte. Dabei ist sich das Kino doch ohnehin, wie unser liebster Zeit-Filmfex Andreas Kilb weiß, Kirche genug.

Deshalb sind die grandiosen Versuche einer Bebilderung der Bibel grandios gescheitert. Martin Scorsese, der vom Glauben abgefallene Katholik, hat 1987 die Letzte Versuchung Christi gewagt, einen Film, der mißglücken mußte und also mißglückte – als prächtig zugerichteter, frommer Kitsch und mit Willem Dafoe, der schon eine Passion in Oliver Stones Platoon nicht überlebt hatte, als Jesus. Auch in Vietnam starb er am Kreuz. Scorsese machte denselben Fehler wie gerade bei Kundun: Er schwelgt in Ornamenten, er nimmt alles beim Wort, und das Wort wird Bild.

Die wahrhaftigen Passionsfilme hatte Scorsese ja längst gedreht: Mean Streets, Taxi Driver und Raging Bulls sind nichts anderes als säkulare Versionen der Erlösungsgeschichte – nur daß hier jeder für sich selbst stirbt. Barbara Hershey ist in Last Temptation die letzte Versuchung, und die Sexualmoral Jesu hier weniger eine Frage der Ethik als der Ästhetik. Ein Porträt des Gottessohnes als lächerlicher Mann. Doch Christi Schicksal erfüllt sich nach den irdischen Wonnen wie noch in jedem Bibelfilm.

Bloß bei Herbert Achternbusch nicht. Sein Katholizismus ist bajuwarisch, in ihm ist die Parodie schon angelegt. Das Gespenst, ein ebenso gespenstischer wie ganz und gar unverständlicher Film, rief damals immerhin die CSU-Chargen Friedrich Zimmermann und Edmund Stoiber auf den Plan, die den Gottseibeiuns verbieten ließen, lustigerweise natürlich wegen „Blasphemie“. Achternbusch stolpert in einem Nachthemd durchs Bayernland wie Woody Allen in Der Schläfer durch die Zukunft, bloß lustig ist's nicht. Ein Akt von Flagellantismus und Exorzismus.

Schärfer noch geißelte sich Pier Paolo Pasolini, dessen Das 1. Evangelium – Matthäus auch für den Zuschauer ein Leidensweg ist. In karstiger Schwarz-Weiß-Landschaft vollzieht sich das bekannteste Evangelium von der Geburt bis zum Grabe, das leer war. Pasolinis Askese ist womöglich die einzig probate Form, kinematographische Trauerarbeit zu leisten. Der homosexuelle Kommunist war besessen vom Katholizismus. Die Kirche erkannte in seinesgleichen den Leibhaftigen, und das auch noch in Italien – dabei ist seine Bibel-Exegese orthodox. Wo bei Pasolini sonst Rausch, Entgrenzung und Ekel herrschten, gibt es in der Das 1. Evangelium – Matthäus nur stumme, gebeugte Leidende: ein Jammertal, das Schweigen.

Eine Passion jenseits der Bibel ist Lars von Triers quälendes Meisterwerk Breaking The Waves: Emily Watson spielt unvergeßlich eine fromme Frau mit heißen Draht zum Heiland, deren Mann querschnittgelähmt von der Arbeit auf einer Bohrinsel zurückgekehrt ist und ihr sexuelle Freiheit gewährt. Der Pakt wird zum Höllensturz, die Frömmlerin zur Sünderin wider ihren Glauben. Sie hält Zwiesprache mit dem Erlöser, fleht bis zur heiligen Raserei, flüchtet als Hure in den tröstenden Wahnsinn.

Wie eine Hexe wird Watson ausgestoßen und verflucht, aber die schlimmsten Qualen fügt sie sich selbst zu: Der scharlachrote Buchstabe auf dänisch – gedreht mit Video-Material und dann auf Cinemascope gebläht, wodurch eine Grobkörnigkeit entstand, die das Martyrium zugleich entrückter und unmittelbarer erscheinen läßt. Dazu spielen die Schlager der Siebziger und brechen die Wellen. Keine Erlösung von den Sünden. Der Tod, das wußte Godard schon früh, ist die einzige Lösung.

Arne Willander

Metropolis: The Last Temptation Of Christ (OF): 9.4., 19 Uhr; 10.4., 17 Uhr; 11.4. 19.30 Uhr; 12.4., 20 Uhr. Das 1. Evangelium – Matthäus: 10.4. 21.15 Uhr; 11.4., 17 Uhr; 13.4., 19.30 Uhr; Breaking The Waves (OmU):12.4., 17 Uhr; 13.4., 21.45 Uhr; 15.4., 19.30 Uhr; 16.4., 21.15 Uhr.

B-Movie: Die letzte Versuchung Christi (DF): 9.4., 11.4., 12.4., jeweils 20.30 Uhr. Das 1. Evangelium – Matthäus: 16.4., 18.4., 19.4., jeweils 20.30. Das Gespenst: 23.4., 25.4., 26.4., jeweils 20.30 Uhr.