„Aberwitzig und grotesk“

■ Körperverletzung und Betrug: Drei Jahre Haft für Augenarzt, der Hunderte von PatientInnen schädigte, um kräftig abzusahnen

Wegen Körperverletzung, Betruges und versuchten Betruges in insgesamt 460 Fällen hat das Hamburger Landgericht gestern einen 44 Jahre alten Hamburger Augenarzt zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß der Arzt zwischen 1991 und 1995 in 395 Fällen überflüssige Leistungen bei PrivatpatientInnen in Rechnung gestellt, Medikamente zu hoch berechnet und zwei PatientInnen durch überflüssige Laserbehandlungen gesundheitlich geschädigt hat (taz berichtete mehrfach). Der bei den Kassen entstandene Schaden beträgt über 900.000 Mark.

Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre und drei Monate Haft sowie die Verhängung eines Berufsverbotes von vier Jahren gefordert, die Verteidigung hatte Freispruch beantragt. Die Kammer sah in ihrem Urteil allerdings von der Verhängung eines Berufsverbotes ab.

Der Angeklagte habe Praktiken angewandt, „die bei unserem Gesundheitssystem zur Kostenexplosion führen, weil einer nicht genug kriegen kann“, sagte der Vorsitzende Richter Ernst-Rainer Schudt in seiner Urteilsbegründung. Es sei in dem Prozeß um den Mißbrauch der ärztlichen Therapiefreiheit gegangen. Der 44jährige habe aufwendige Ultraschall- und Laseruntersuchungen serienweise routinemäßig eingesetzt.

Die Maßlosigkeit der von dem Mediziner eingesetzten Techniken sei „erschreckend und aberwitzig“. Bei einigen der geschädigten PatientInnen, zumeist Frauen zwischen 75 und 90 Jahren, habe er zwischen 40 und 80 Behandlungsmethoden durchgeführt, die vier Sachverständige im Verfahren als „überflüssig und grotesk“bezeichnet hatten. Er habe selten Gutachter gehört, die ein so vernichtendes Urteil über einen Kollegen gefällt haben, meinte der Kammervorsitzende.

Der „Arzt aus Leidenschaft“habe selbst nach seiner Praxisdurchsuchung im November 1995 „unbeeindruckt“weitere Fälle des Betruges begangen. „Der Angeklagte war ein erfolgreicher Arzt, der solche Betrügereien nicht nötig gehabt hätte“, stellte der Vorsitzende Richter fest.

Er habe sich jedoch uneinsichtig und rechthaberisch gezeigt. Bei einem Geständnis und einer Schadenswiedergutmachung wäre hingegen eine Bewährungsstrafe gekoppelt mit einer Geldstrafe möglich gewesen. lno