Britische Atomtauben frisch bestrahlt

■ Bremer Forscher fanden auch kurzlebige radioaktive Stoffe

Die Atomtauben von Sellafield müssen innerhalb der letzten Monate radioaktiven Emissionen ausgesetzt gewesen sein. Die Bremer Wissenschaftler, die im Auftrag von Greenpeace Taubenkadaver untersuchen, haben im Gefieder der Tiere auch kurzlebige radioaktive Stoffe wie Cer-144 gefunden.

Der Kernphysiker Gerald Kirchner hält es für unmöglich, daß die Strahlenbelastung auf Altlasten aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage zurückzuführen sein könnte, wie es die britische Betreiberfirma angegeben hatte. Offenbar gelangten auch heute noch trotz der Sicherheitsmaßnahmen der Betreiber Emissionen aus der Atomfabrik in die Umwelt. „Das war mir vorher nicht klar“, sagte Kirchner zur taz.

Insgesamt bestätigen die Analysen der Landesmeßstelle an der Bremer Universität die hohen Strahlenbelastungen auf dem Gefieder und im Fleisch der Tauben, die schon britische und französische Labors festgestellt hatten. Die Tauben waren vor sechs Wochen nahe Sellafield gefangen worden, nachdem bei einigen Vögeln eine erhöhte Radioaktivität festgestellt worden war.

Auf ein Kilogramm Federn hochgerechnet (eine Taube hat etwa 50 Gramm Federn) betragen die Spitzenwerte laut Greenpeace 246.800 Bequerel Cäsium-137 und 18.650 Bequerel Americium-241. Auch andere radioaktive Isotope – neben dem kurzlebigen Cer-144 auch Cobalt-60 und Ruthenium-104 – wurden nachgewiesen. Im Fleisch der Tauben fanden Kirchner und seine Mitarbeiter eine Belastung von 418 Bequerel Cäsium-137 pro Kilogramm. Das britische Landwirtschaftsministerium hatte bereits im Februar den Menschen verboten, Tauben zu essen, die in einem Umkreis von 16 Kilometern um die Atomanlage leben.

Greenpeace verlangt nach den Meßergebnissen auch Konsequenzen für die deutsche Atompolitik: „Die Wiederaufarbeitung von deutschem Atommüll in der Skandalanlage muß sofort beendet werden“, sagte der Atomexperte Gero Lücking. Die deutsche Atomwirtschaft läßt laut Greenpeace zur Zeit etwa zehn Prozent ihrer abgebrannten hochradioaktiven Brennelemente in Sellafield aufarbeiten.

Auch der Physiker Kirchner hält es nach den tauben-Messungen für erwiesen, daß in Sellafield Emissionen in die Umwelt gelangen, die in Deutschland „niemals vorkommen“dürften: „Ob die Wiederaufarbeitung in Sellafield mit deutschen Schutzbestimmungen vereinbar ist, da habe ich drei Fragezeichen.“ jof