Kifferklüngel von der Küste

Als Pioniere zumindest mitschuldig am Blödelrap-Boom: Die Nordlichter 5 Sterne deluxe und Fischmob brachten einst den Humor in den HipHop. Jetzt plant die Hamburger Schule des HipHop (mit Zweigstelle Flensburg) die Übernahme der Sparte Deutschrap  ■ Von Thomas Winkler

Schon mal was von der Banjo Elritze gehört? Oder von Miracle Sharp? Fragen sie die 5 Sterne deluxe, die kennen sich aus. „Ein unglaubliches Produkt“, weiß Tobi von seinen nächtlichen Erfahrungen mit der Telemarketing-Branche zu berichten. Dort hat er gelernt, daß mit Miracle Sharp jedes Messer durch Übergießen wieder scharf wird und daß man mit der Elritze die dicksten Fische fangen kann.

Die Gehmaschinen, auf denen die vier von den 5 Sternen in dem Video zu „Willst du mit mir gehn?“ auf der Stelle treten, sind ganz und gar nicht bildlich zu verstehen, sondern einfach eine weitere tolle Erfindung. „Das sind so Einflüsse“, weiß DJ Coolmann, „die im Leben halt da sind, die bekommt man, damit wird man konfrontiert.“ Ja, ja, so ist das wohl. Entscheidender ist aber, was man daraus macht.

Das Ergebnis, das 5 Sterne deluxe mit ihrem Debüt „Sillium“ abliefern, zeichnet vor allem trockener norddeutscher Humor aus. Was niemanden überrascht, der weiß, daß die Hälfte des Quartetts früher unter dem Namen Der Tobi & das Bo den Witz in den HipHop brachte. Sesamstraßen-Rap nannten das Kritiker damals, während sie von allen verfügbaren Seiten angefeindet wurden, weil sie den hochheiligen HipHop in den Dreck ziehen würden. Dabei haben sie, erzählt Tobi, „doch nur das gemacht, wie wir waren“. Die Wogen haben sich geglättet inzwischen. Jetzt, da Der Wolf verspricht, das nächste Mal sei Kuchen da, Stefan Raab mit schlimmen Fingern spielt und überhaupt alle viel Spaß miteinander haben, nun ist „es nicht mehr unmöglich, lustige Sachen zu machen. Jetzt machen selbst die Stiebers mal einen Witz.“ Und Der Tobi & das Bo stehen plötzlich als Pioniere da. Dabei hatten sie damals noch „nicht mal den Anspruch, was Neues zu erfinden“. Das vielleicht nicht, aber ein bißchen krank im Hirn reicht ja auch manchmal.

Ehrenbürger der Erde, Retter des HipHop

Die neue Selbstdefinition, nach der Erweiterung durch die Kollegen Marcnesium und Coolmann, rappt sich so: „Wir sind vier Ehrenbürger der Erde, und wir wünschen uns viel Spaß in eurem Gehirn.“ Die ehemalig Mitverantwortlichen für Blödel-Rap legen nun Wert darauf, daß „die Platte im Ganzen nicht albern ist“. Sagt Tobi so. Und verweist auf die ernsteren Töne, die Bo beisteuert. Der hat kürzlich entdeckt, daß sein jugoslawischer Vater schließlich aus einem Land stammt, in dem ein Krieg stattfand. Mit ihrer eigenen Rolle setzen sie sich in „HipHop Clowns“ auseinander. Was nicht bedeutet, daß nicht doch der Humor im Vordergrund steht. Und dann wird mitten auf „Sillium“ auch noch eingeworfen: „Jungs, wir müssen HipHop retten!“ Das soll ein Scherz sein. Man muß das nicht unbedingt als Scherz verstehen.

So oder so: 5 Sterne deluxe sind auf dem besten Weg, eine neue Phase im HipHop-Land Deutschland einzuläuten. Mit lange nicht mehr so vielen fröhlichen Kindergeräuschen wie zu Tobi-&-Bo-Zeiten und statt dessen vor allem unverschämt entspannt groovenden Beats melden die 5 Sterne ganz selbstverständlich ihren Anspruch auf Teilhabe am Mainstream an. „Popappeal, ohne dabei die Qualität einzubüßen“, nennt Tobi das. Und wenn man „Sillium“ hört, muß man zugeben, daß es funktioniert. Gar nicht mal so insgeheim hofft das Quartett nun, in eine Liga mit den Fantastischen 4 oder Freundeskreis aufzusteigen. Dort oben, so ist zu vermuten, sind wahrscheinlich nicht nur die Drogen besser.

Coolmann hat festgestellt, daß hierzulande nun passiert, was in Amerika schon geschehen ist: „Es bricht auseinander, neue Sachen entstehen.“ Dank dieser Diversifizierung gibt es nicht mehr nur HipHop, sondern so 'nen HipHop und solchen HipHop. Und in Hamburg gibt es alles. Dort ist sowieso alles ganz knorke momentan, denn „das Konkurrenzdenken ist weg“. Statt dessen sind Dynamite Deluxe, Eins/Zwo, Doppelkopf, Absolute Beginner, wie sie sonst noch alle heißen und Fischmob natürlich allesamt Herz und Seele und lassen Mikro und Tüte rumgehen. So teilen sich Marcnesium und Fischmobs DJ Koze nicht nur die Wohnung, sondern veröffentlichten als Adolf Noise obskure Kifferhörspiele.

Mikro und Tüte machen die Runde

Fischmob höchstselbst legen Ende April nach dem Debüt „Männer können seine Gefühle nicht zeigen“ und diversen Maxis mit „Power“ ihr zweites Album auf. Auf dem ist HipHop, wie von den gebürtigen Flensburgern gewohnt, zwar nur die Grundlage allen Seins, aber von dort aus läßt sich vorzüglich der eigentlich zu weite Bogen spannen von butterweichen Grooves bis zu jungenshaften Schrammelgitarren. Zum einen hat ihnen doch der echte J.Mascis tatsächlich einen Song auf Dinosaur Jr. hingemischt. Die Verbindung mag gewagt sein, „aber wir packen alles rein, was wir reinhaben wollen“, erzählt der Schreckliche Sven, ein Viertel des Kollektivs Fischmob. Zum anderen betätigen sie sich als die großen HipHop-Versöhner und luden nicht nur Smudo und Hausmarke von den Fantastischen 4 als Gastrapper, sondern eben auch die Stieber Twins aus Heidelberg, die bis vor kurzem noch den humorlosen Old- Schoolern zugerechnet wurden. Inzwischen „muß man sich nicht mehr definieren über eine Feindbildfindung“, hat der Schreckliche Sven in diesem Zusammenhang festgestellt. Der kleinste gemeinsame Nenner scheint auch hier das Kraut. Aber in Fischmobs Fall scheint das nur so. „Man kann ohne zu kiffen“, sagt Sven, „Musik produzieren, die man beim Kiffen gut hören kann.“

Doch was liegt dann an? Könnte tatsächlich „unser kleines Universum“, also das von Koze, Stachy, Cosmic DJ und dem Schrecklichen Sven, aus der kultischen Anonymität ebenfalls ins Rampenlicht der dicken deutschen Unterhaltung katapultiert werden? Vielleicht, denn „Power“ ist, gibt Sven gerne zu, „kommerzieller geworden, als wir gedacht haben“. Der Mann kann beruhigt werden, denn das läßt sich guten Gewissens nur von einigen sehr wenigen Stücken sagen. Allerdings finden sich weniger abschreckende Punkreminiszenzen als früher, kein „Fick mein Gehirn“ mehr oder westdeutsche Insiderscherze wie „Bonanzarad“. Früher coverten sie, wenn auch eher im Scherz, „Bullenschweine“ von Slime. Heute rappen sie „Hast du Haschisch in der Blutbahn, kannst du rappen wie ein Wu- Tang“. Also doch? „Gut, jeder nimmt Drogen, aber im Studio kiffen wir sowieso nicht.“ Egal wann und wie und wo die Tüte kreist, als Erfolgsrezept mag das hierzulande möglicherweise noch zu gewagt sein. Aber wer hat allen Ernstes gedacht, die künftigen Beherrscher des HipHop-Kosmos vor sich zu haben, als er das erste Mal den Wu-Tang Clan gehört hat?

Ob Fischmob wohl in die „ZDF- Hitparade“ gehen würden? Das dann doch eher nicht. Oder doch? „Wenn wir die Möglichkeit sehen würden, das zu verarschen.“

Mit Grinsen im Gesicht auf Laufmaschinen

Zum Thema Hamburg hat Sven zu sagen, daß das nicht so homogen abläuft, wie die Medien das gerne hätten. Natürlich kennt man sich, natürlich sagt man nichts Böses übereinander, ab und zu hängt man auch mal ab zusammen, aber „wir würden keinen anderen HipHop machen, wenn die nicht da wären“. Die 5 Sterne dagegen ziehen überzeugt die Szene-Karte. So was verkauft sich.

„Wir Sellout? Nicht daß ich wüßte. Ich weiß nur, da geht was bei uns an der Küste“, rappt es selbstbewußt im ersten Stück auf „Sillium“, und der Rest der Republik muß sich auf einiges gefaßt machen. „Wir sind jetzt am Start mit der ersten LP, und die anderen folgen“, droht Coolmann, der noch zusätzlich als Chef des Labels Hong Kong den Aufbruch organisiert. Wird sich der Hamburger Kifferklüngel zum teutonischen Puff-Daddy-Ersatz aufschwingen? Heutzutage scheint alles möglich – den guten Sean Combs hat eine ganze Zeitlang schließlich auch niemand so richtig für voll genommen. Und die Hamburger und ihre lustigen Geräusche haben zwar viel geraucht. Aber sie wissen, was läuft. „Auf einmal kommt da so eine Maschine ins Rollen“, hat Coolmann festgestellt, „und man muß aufpassen, welches Bild man da aufgedrückt bekommt.“ Und diesmal redet er nicht von einem Laufautomaten.

Das Bild, das aktuell und autorisiert aufgedrückt wird, ist das von vier fröhlichen jungen Männern, die gekleidet sind wie Pfleger einer geschlossenen Abteilung, auf Gehmaschinen laufen und dabei ein Grinsen im Gesicht tragen, das „Legalize it!“ zu brüllen scheint. Wenn's nicht klappt mit der friedlichen Übernahme des Popmarktsegments HipHop hierzulande, kann man ja immer noch einen rauchen. Oder angeln gehen. Oder beides zusammen. Das wird dann sicher lustig.

5 Sterne deluxe: „Sillium“ (Yo Mama/RTD), Doppelkopf feat. Bubbles: „Von Abseits“ (Hong Kong/Groove Attack – erscheint am 18.4.), Fischmob: „Power“ (Plattenmeister/Intercord – erscheint am 27.4.)

Festival mit Fischmob, 5 Sterne, Tocotronic, Mouse on Mars, Hausmarke, Notwist, Junkie XL u.a. am 9.4. in Bremen