Keine Holocaustprofessur in Harvard

■ Daniel Goldhagen wird nicht nach Harvard berufen. Wie ein Millionengeschenk nichts als Kopfschmerzen verursachen kann

Washington (taz) – Der Lehrstuhl für Holocaustforschung an der Harvard-Universität wird vorerst nicht besetzt. Damit endet ein unerfreulicher Streit, der aus einem großzügigen Geschenk erwuchs. Umgerechnet 5,7 Millionen Mark hatte der Geschäftsmann und ehemalige stellvertretende Bürgermeister New Yorks, Ken Lipper, der Harvard-Universität für die Einrichtung eines Lehrstuhls zur Verfügung gestellt, der die Ursachen des Holocausts erforschen und nach der Großmutter seiner Frau Helen Zelaznik benannt werden sollte. Deren Familie war im KZ Bergen-Belsen umgebracht worden.

Zur Zeit gibt es in den USA nur einen solchen Lehrstuhl, und zwar an der University of California in Los Angeles. Inhaber ist Saul Friedlander.

Mit der Auszahlung der ersten Million, von der das Auswahlverfahren finanziert werden sollte, begann der Streit. Was sollte erforscht werden, die Opfer oder die Täter? Und welche Abteilung sollte den Lehrstuhl und das viele Geld erhalten?

Am heftigsten aber tobte der Streit darüber, wer berufen werden sollte. Im Gespräch war Daniel Goldhagen, der mit seinem 1996 vorgelegten Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ die Diskussion um die Ursachen des Holocaust wieder angefacht hatte. Ken Lipper geriet in den Verdacht, für Goldhagen und dessen umstrittene Thesen eine Plattform schaffen zu wollen, was als Eingriff in die akademische Freiheit gewertet wurde.

Einladungen zu Antrittsvorlesungen gingen an die renommierten Holocaustforscher Yehuda Bauer, Raul Hilberg und Saul Friedlander, die allerdings alle im Pensionierungsalter sind. Der Ruf erging auch an jüngere Historiker, so an Dan Diner von der Universität Essen, Christopher Browning, einen der schärfsten Kritiker Goldhagens, an Samuel Kassov, der lieber die Opfer als die Täter erforschen will und natürlich an Goldhagen, der schon in Harvard lehrt, aber noch keine Professur hat.

Man konnte sich nicht entscheiden – also gedachte man den Lehrstuhl zunächst zeitweilig mit Saul Friedlander zu besetzen, der einmal im Jahr eine Serie von Vorträgen halten sollte. Damit aber war Ken Lipper, der einer weiteren Öffentlichkeit als Drehbuchautor des Films „City Hall“ bekannt ist, nicht einverstanden. Er wollte sein Geld für eine richtige Professur ausgeben und Harvard zu einer Entscheidung zwingen. Eben dieser Entscheidung ist die renommierte Universität jetzt ausgewichen. Die angezahlte Million trägt derweil Zinsen. Peter Tautfest