Siemens beschäftigt zahlreiche Staatsanwälte

■ Spanische Richterin möchte wegen Schmiergeldverdacht Amtshilfe aus München

Madrid (taz) – Der Kreis um Siemens zieht sich zu. Nach Ermittlungen in Madrid, Genf und Brüssel könnte schon bald auch die Staatsanwaltschaft in München den deutschen Elektronikkonzern ins Visier nehmen. Siemens steht unter dem Verdacht, bei der Auftragsvergabe für den Streckenbau des Hochgeschwindigkeitszuges AVE von Madrid nach Sevilla 1990 mit Bestechungsgeldern kräftig nachgeholfen zu haben. Mindestens 16 Millionen Mark sollen in die Kassen der damals regierenden sozialistischen PSOE von Felipe González geflossen sein.

Der Münchner Oberstaatsanwalt Peter Schlicht hat von der Madrider Ermittlungsrichterin Chacón die Vernehmungsprotokolle von 27 Zeugen und Beschuldigten angefordert. Mit deren Hilfe will er entscheiden, ob er einem spanischen Rechtshilfeersuchen nachkommt und eventuell die Durchsuchung von Siemens-Geschäftsräumen veranlaßt. Noch viel wichtiger sei, „ob wir hier selbst von Amts wegen aktiv werden müssen und eigene Ermittlungen einleiten“, so Schlicht. Zwar ist die Zahlung von Bestechungsgeldern im Ausland nach deutschem Recht straffrei, nicht aber der andere Vorwurf, den die spanische Richterin gegen Siemens erhebt. Der deutsche Konzern soll sich an EU-Subventionen bereichert haben.

Der Verdacht des Subventionsbetruges stützt sich auf ein Gutachten der spanischen Finanzbehörde aus dem Jahre 1996. Das beweist: Siemens holte sich die bezahlten Bestechungsgelder zurück, indem ganz einfach die Preise für verschiedene Bauabschnitte heraufgesetzt wurden. So rechnete der deutsche Elektronikkonzern für die Signalanlagen 51 Prozent mehr ab, als im Kostenvoranschlag angegeben waren. Bei den Oberleitungen waren es 33 Prozent. Dies sei, so der Vorwurf der spanischen Richterin, zuvor sowohl mit dem damaligen sozialistischen Transportminister, José Barrionuevo, als auch mit dem Chef der Staatsbahn RENFE, Julian García Valverde, abgesprochen gewesen. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, wäre neben der Eisenbahngesellschaft auch die EU eine der Hauptgeschädigten dieses Dreiecksgeschäftes PSOE-Siemens-RENFE. Denn Brüssel bezuschußte den Streckenbau mit 771,6 Millionen Ecu. Die europäische Antibetrugseinheit Uclaf ermittelt.

Bruno Rübensdorf, der das AVE-Geschäft für Siemens eingefädelt hat, wurde vom Konzernvorstand nach der Eröffnung des Verfahrens in Madrid nach Lateinamerika versetzt. Das ist ein Terrain, auf dem sich der Finanzexperte auskennen dürfte. Die Ermittlungen im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens des Schweizer Richters Paul Perraudin ergaben nämlich, daß die zu Lasten eines Frankfurter Kontos ausgestellten 113 Schecks mit Bestechungsgeldern über Banken in Uruguay auf ein Konto in Genf gelangten. Deren Inhaber: Der Ex-Vorsitzende der Sozialisten im nordspanischen Navarra, Gabriel Urralburu, und der Sozialist Luis Roldan. Letzterer war Chef der Guardia Civil und ist mittlerweile wegen Bereicherung im Amt zu 28 Jahren verurteilt worden. Reiner Wandler