Eine satanische Fülle

Ob Reiki, schwarze Messen oder Hohlwelt-Theorie: Kein esoterisches Thema ist so abseitig, daß es im Internet keinen Platz fände  ■ Von Eberhard Spohd

„Tu, was Du willst, sei das Ganze des Gesetzes!“Der Leitsatz des Astrum Argentum, des inneren Ordens der Anhänger des düsteren Magiers Aleister Crowley, scheint auch der Wahlspruch einer weltumspannenden Vereinigung zu sein, dem allumfassenden Netzwerk, das alle verbindet, die sich mit Engeln und Runen, Reiki und Zen-Bud-dhismus, Hexen und Satanismus beschäftigen. Aber noch rankt sich um dieses Gebilde keine Verschwörungstheorie, noch werden die Informationen jedem offen zur Verfügung gestellt.

Denn von keinem Geheimbund, der seine Kreise zieht, ist hier die Rede. Es ist das Internet und sein kleiner Bruder, das WorldWideWeb, in dem die angeblich so technikfeindlichen EsoterikerInnen längst ihren Platz gefunden haben. Es gibt kein esoterisches Thema, das nicht auf einer der Millionen Seiten abgehandelt wird. Alle großen Organisationen haben inzwischen ihre Homepage und bieten Nachrichten und Informationen an.

Sie wollen sich Ihr I Ging werfen lassen? Kein Problem, einfach bei Compuserve reinschauen. Oder ein Runen-Orakel legen lassen? Beim Server Facade.com können Sie zwischen fünf verschiedenen Varianten wählen, entsprechend Ihrer Lebenssituation und Fragestellung. Oder soll es doch lieber ein gewöhnliches Horoskop sein? Dann werden Sie unter http://www.astroland.ch bestens bedient. Aber Vorsicht: Dieser Service ist kostenpflichtig.

Die elektronische Vorhersage der Zukunft ist allerdings nur eine Möglichkeit, das Internet zu nutzen. Auch wer spezielle Texte sucht, kann hier fündig werden. Wer sie nicht im Bücherschrank hat, kann sich sowohl das Tibetanische als auch das Ägyptische Totenbuch herunterladen. InteressentInnen der Hohlwelt-Theorie werden ebenso bedient wie die JüngerInnen hermetischer Künste: Wichtige alchemistische Schriften sind (zumeist in Englisch) zusammen mit den faksimilierten Abbildungen abrufbar. Einzig das sagenumwobene Necronomicon des verrückten Arabers Abdul Al'hazred ist nirgendwo zu finden – kein Wunder, gibt es doch auf der Welt angeblich nur drei Exemplare, die allerdings noch niemand gesehen hat. Dafür gibt es für alle Fans des US-amerikanischen Schriftstellers H. P. Lovecraft und solche, die es werden wollen, eine Newsgroup – also ein Diskussionsforum – unter der Adresse alt.necronomicon.

Wer fundiertere Materialien und Informationen haben will, tut gut daran, nach offiziellen Verbänden und Vereinigungen zu suchen. So findet sich der Deutsche Astrologen-Verband unter der Adresse http://members.aol.com/niehenke/index.html im Netz. Auf dieser ständig erneuerten Site informiert der Dachverband über Messen, Tagungen und Kongresse. Wer möchte, kann auch an dem umfassenden Fernkurs für Astrologische Menschenkunde teilnehmen. Unter http://www.reiki.org findet sich eine internationale Organisation, die sich der Verbreitung dieser Heilmethode verschrieben hat. Und auch das Bach-Center in Mount Vernon hat eine eigene Homepage bei Compuserve, die sich, natürlich, mit Bachblütentherapie beschäftigt.

Für Freunde des Esoterischen, Spirituellen und Okkulten ist das Internet eine wahre Fundgrube. Vorsicht ist jedoch wie immer bei diesem Medium geboten: Da prinzipiell jeder die Möglichkeit hat, eigene Informationen und Meinungen im Netzt kundzutun, stecken natürlich auch viele Halbwahrheiten, Falschmeldungen und Ungenauigkeiten zwischen den Dateien. Das sollte aber kein Grund sein, sich von diesem Füllhorn abschrecken zu lassen.