Null Risiko

■ „Das Attentat“im Ernst Deutsch Theater sucht nach den Wurzeln von Gewalt – leider ohne Erfolg

Eine Autobombe explodiert, 28 Menschen sterben. Ein Terrorakt ökologischer Fanatiker, die gegen die Verseuchung des Trinkwassers kämpfen. Einen der Verantwortlichen für den Umweltskandal halten sie gefangen. Der Attentäter ist gewalttätig, ganz klar, aber was ist mit der Journalistin, die ihn in seinem Versteck interviewt? Welche Rolle spielt seine junge Sympathisantin? Und schließlich: Ist das Entführungsopfer wirklich unschuldig?

Um die vielfältigen Erscheinungsformen der Gewalt, auch der verdeckten, kreist Das Attentat von Wiliam Mastrosimone, das am Donnerstag im Ernst Deutsch Theater Premiere hatte.

Die Frage nach Tätern, die zu Opfern werden, und Opfern, die zu Tätern werden, hätte durchaus spannend werden können – wenn sie nur nicht so unglaublich behäbig und langweilig dahergekommen wäre. Arm in den Zwischentönen, ängstlich vor jeder möglichen Provokation – Yves Jansen geht in seiner wohlfeilen Inszenierung kein Risiko ein. Als Folge bleiben sowohl Publikum als auch Darsteller unbeteiligt.

Das Bühnenbild, eine Lagerhalle mit viel Wellblech, könnte konventioneller kaum sein. Zu allem Überfluß wirkt Peter Gross als Viktor, dem Anführer der Terrorgruppe, seltsam blutleer – hölzern und verkrampft verkörpert er einen Attentäter im Rudolf-Scharping-Format. Und in jeder Geste dieser Inszenierung spürt man den Drang, sich von den Figuren distanzieren zu wollen. Wer aber immer Abstand hält, wird wohl kaum ins Zentrum eines Themas vordringen. Die Frage nach Ursprung und Folgen von Gewalt bleibt also ungeklärt.

Überzeugend und einnehmend gibt dagegen Minni Oehl die Sensationsreporterin Jessica Lyons. Die Story ihres Lebens witternd, wird sie vom Attentäter bedrängt, der sie für seine Zwecke instrumentalisieren will. Mal wird sie von Skrupeln gebeutelt, dann schmeißt sie wieder alle moralischen Bedenken über Bord: „Okay, ,Terrorist' ist 'raus. Und ich bekomme die Exklusiv-Rechte.“So gehören die Interview-Szenen, die mit einer Videokamera live auf eine große Leinwand projiziert werden, zu den wenigen Lichtblicken des Abends.

Und schließlich gibt es doch noch einen kleinen Show-Down: Victor erschießt seine junge Sympathisantin. Ein buchstäblicher Knalleffekt, nicht mehr, aber immerhin läßt er uns für einen Augenblick aus den Sitzen aufschrecken.

Sabine Claus