Abzocken beim Zahnersatz

■ Krankenkassen berichten von „Falschabrechnungen“beim Zahnersatz / Wer sich nicht wehrt, muß draufzahlen

ls Andreas M. (Name geändert) die Rechnung bekam, traf ihn fast der Schlag: Für seine Teilkrone sollte er plötzlich über 300 Mark mehr bezahlen, als im voraus berechnet war. „Wir raten Ihnen, sich mit ihrem Zahnarzt in Verbindung zu setzen, damit er die Rechnung entsprechend korrigiert“, schrieb ihm seine Krankenkasse lapidar – dann war der Geringverdiener mit seinem Problem – einem Eigenanteil von immerhin 600 Mark – allein.

Eine mißliche Lage, an der die neuen Regelungen zum Zahnersatz schuld sind: Seit 1. Januar müssen PatientInnen ihre Rechnungen allein mit den Zahnärzten aushandeln – und sie dann bei den Krankenkassen einreichen. Diese können dann – je nach Härtefall – einen Festzuschuß zahlen. Die Folgen beschreibt jetzt der Bremer Verband der Angestelltenkrankenkasse (Vdak): Er berichtet von „Falschabrechnungen“und Fällen, in denen Ärzte zu hohe Beträge verlangten.

Das von den Kassen erstellte Sündenregister ist lang: So würden einfach für die vor Behandlung erstellten Kostenpläne Gebühren zwischen 40 und 85 Mark verlangt – obwohl das laut Gesetz verboten ist. Auch besondere Metallkeramik- oder Kunstoffverblendungen von Kronen und Brücken würden zu teuer berechnet. „Die Ärzte berechnen sich dafür höhere Honorare als erlaubt“, weiß Meike Peters vom Vdak. Dabei hätte Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) klar festgelegt, daß PatientInnen nur die höheren Materialkosten zu tragen haben.

„Wir können dagegen aber nichts mehr machen“, gesteht die Fachfrau. „Wir sind nicht mehr der Verhandlungspartner“, sagt sie. Die Kasse könne die Rechnungen nur überprüfen. „Alles weitere muß der Patient mit dem Zahnarzt verhandeln.“Doch „wer traut sich das? Die meisten haben doch Angst vorm Zahnarzt“, meint Manfred Adryan von der AOK. Zwar würden einige Kassen dazu raten, den Zahnarzt bei zu hohen Rechnungen einfach zu wechseln. „Aber ein Arzt ist doch kein Handwerker. Bei einem Vertrauensverhältnis wechsel ich doch nicht einfach so“, glaubt er.

„Verunsichert“sind deshalb viele Bremer PatientInnen, berichtet Gabriela Zeugner von der Bremer Verbraucherzentrale. Es kommen derzeit dreimal soviele Besucher. Aber leider hat die Beratung dort einen Haken: Zahnärzte der Zahnärztekammer sind die Gesprächspartner. „Das ist ein Problem. Aber hier geht es ja um Fachfragen, und wir haben momentan Finanzprobleme, eine unabhängige und fachlich versierte Beratungsperson einzustellen“, entschuldigt sie sich.

Daß diese Besetzung tatsächlich „ein Problem“ist, beweist Zahnärztekammer-Geschäftsführer Karl-Heinz Siegert. Der nämlich weist gegenüber der taz die Vorwürfe der Kassen zurück: „Das ist nur eine verschwindend geringe Anzahl von Fällen mit Gebührenstreitigkeiten.“Generell seien die Zahnärzte aufgefordert worden, ihre PatientInnen ordentlich zu behandeln. „Bedauerlich“findet Siegert nur ein Problem: Die Regelungen für Härtefälle wie Arbeitslose oder Geringverdiener, die von der Krankenkasse bis zu 1.000 Mark Festzuschuß für Zahnersatz erhalten. „Da hat der Gesetzgeber nicht richtig gerechnet“, sagt er, „der Festzuschuß der Kassen reicht oftmals nicht aus, die Patienten müssen viel allein bezahlen. Die Kosten sind eben so hoch.“

Was er aber verschweigt: „Speziell bei Härtefällen haben Zahnärzte oft eine besonders tolle Versorgung gemacht“, weiß Manfred Adryan von der AOK. Außerdem sei bekannt: Gerade Labore, die den Zahnersatz herstellen, nehmen ganz unterschiedliche Preise. „Da könnten Zahnärzte auch zu einem günstigeren Labor wechseln.“Aber auch er kann betroffenen PatientInnen nur sagen: „Wir können uns da nicht mehr einmischen. Das ist leider so.“

Mutige Gegenwehr ist also die einzige Chance, dachte sich deshalb Andreas M. Er teilte seinem Zahnarzt mit, daß er 600 Mark als Geringverdiener nicht aufbringen könne. Dann kam die überraschende Antwort aus der Praxis: Das Labor hätte den Zahnersatz im nachhinein doch um 300 Mark billiger machen können – es geht also irgendwie: Mensch muß bloß „fest genug zubeißen“. kat