Dinglisch bis zum Umfallen

■ Die „erste dinglish allround entertainerin“Gayle Tufts gastiert im Jungen Theater mit ihrer ein little alltoo „Big Show“

Worüber die Leute so lachen! Die Amerikaner finden es zum Beispiel witzig, daß an den deutschen Autobahnen Schilder mit der obs-zönen Aufschrift „Ausfahrt“stehen. Schauen Sie mal im Dictionary unter „fart“nach, dann riechen Sie den Braten. Wir Deutschen lachen dafür immer wieder gerne über Ausländer, die in unserer Sprache radebrechen, und dies hat die in Berlin lebende New Yorkerin Gayle Tufts als Marktlücke erkannt. Sie entwickelte als ihre größte (böse Zungen würden sagen einzige) Bühnenattraktion den Sprachcocktail „dinglish“. Nun ist der Verdacht nicht ganz unbegründet, daß alle trendbewußten Deutschen eh schon lange in Dinglish parlieren (“Service Point“, „händeln“), aber Frau Tufts hat ihre ganz eigene Art des Deutschspeak entwickelt, und diese stellt sie noch bis zum 13.4. jeweils um 19.30 Uhr im Jungen Theater vor.

„I've waited all my life to stand here heute Nacht / You'll never know the hours and the days Ich habe verbracht / Mit texten, komponieren, üben Dinglish day by day / now finally I can say / Its THE BIG SHOW“usw. Das war ein wenig O-Ton aus ihrem Show-Intro, nur damit Sie einen Eindruck bekommen. Das finden Sie nicht unbedingt so ganz witzig? Da muß ich Ihnen leider zustimmen. Oft vermischt Gayle Tufts deutsch und englisch schlicht so, wie es sich gerade am besten reimt, und hofft nur darauf, daß es irgendwie komisch klingt. Interessant an dem Originaltext ist außerdem, daß sie orthographisch falsch, aber psychologisch richtig das „Ich“großgeschrieben (und gesungen) hat, denn ihre gesamte Show kreist eben um die Show und Gayle Tufts, die unbedingt die Show machen und ein Big Star werden will.

Nun basteln amerikanische Stand-up-comedians, und in dieser Tradition sieht sich Frau Tufts, immer ihre Monologe aus autobiographischen Anekdoten zusammen. Aber wenn bei der „Big Show“fast alle Songs nur von der „Big Show“handeln, und Gayles Tufts in ihren Zwischentexten ständig davon erzählt, daß sie bei Bio im Fernsehen war, beim Casting von RTL von der Showtreppe gefallen ist, und bei den vielen Interviews (von der taz bis zur Brigitte) immer nur nach ihrem Dinglish gefragt wird, dann werden ständiges name dropping und Selbstinszenierung penetrant.

Natürlich ist sie geschickt genug, die Glorifikation ihres Egos mit einigen ironischen Schlenkern erträglicher zu machen, aber mit der Zeit merkt man doch, daß Gayle Tufts im Grunde wenig zu sagen hat, dies aber um so grandioser. Sie vermißt New York, ist keine Chansonette wie die Piaf oder Greco, sie sagt potato und wir sagen Kartoffel. So langsam haben wir es begriffen! Und wenn sie eine Trauerarie auf ihr verstorbenes Tamagotchi singt, ist dies zwar der einzige halbwegs satirische Blick nach draußen, aber die elektronic pets sind doch schon lange Schnee von gestern.

Der Eindruck, daß Gayle Tufts zwei Stunden lang immer das gleiche Lied singt, entsteht auch dadurch, daß ihr Pianist und Stichwortgeber auf der Bühne Rainer Bielfeldt fast alle Songs selber komponiert hat. Er trifft dabei wohlgemerkt sehr gut den Ton der Shownummern a la Broadway oder Las Vegas: jeder Song klingt für sich spritzig und hat Schwung. Aber bei einem Dutzend fällt doch auf, daß sie alle nach dem selben Muster gestrickt sind.

Trotzdem, Gayle Tufts wurde vom größtenteils weiblichen Publikum stürmisch gefeiert – und ich bin halt ein alter Miesepeter. Worüber die Leute so lachen!

Wilfried Hippen

Sa/So/Mo, 19.30 h