Der Fiskus belohnt die Besserverdiener

■ Steuerstatistik 1997 zeigt Rückgang der Einkommensteuer um 142 Prozent: Zum erstenmal nimmt Berlin kein Geld von Besserverdienern ein, sondern zahlt drauf. 40 Prozent der Landeseinnahmen kommen inzwi

Die Umverteilung von unten nach oben mit den Mitteln des Steuerrechts geht ungebremst weiter: Die Wohlhabenden der Gesellschaft verabschieden sich immer mehr aus der Finanzierung der Staatsaufgaben, während mittlere und kleine Einkommen immer mehr dazu beitragen. Dieser Trend wird auch in der jetzt veröffentlichten Steuerstatistik für 1997 deutlich. Zum ersten Mal überhaupt hat Berlin im vergangenen Jahr aus der Einkommensteuer kein Geld eingenommen, sondern muß sogar 74 Millionen Mark an die BürgerInnen zurückzahlen.

Nach der Statistik der Verwaltung sind die Einnahmen des Landes an Steuern leicht angestiegen, Berlin sammelte 1997 insgesamt 31,8 Milliarden Steuern ein. Von denen verbleiben allerdings nur 15,5 Milliarden im Haushalt von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), der Rest wird an den Bund abgetreten. Allein 6 Milliarden davon stammen aus den Taschen angestellter SteuerzahlerInnen. Damit werden inzwischen 40 Prozent der Landeseinnahmen aus der Lohnsteuer finanziert. Zu Beginn der neunziger Jahre lag dieser Anteil noch bei etwa 37 Prozent.

Die Einnahmen des Staates aus der Einkommensteuer, die vor allem Selbständige und Menschen mit Einkünften aus Kapitalvermögen zu entrichten haben, brechen bundesweit seit Mitte der neunziger Jahre massiv weg. Von 700 Millionen Mark, die Berlin noch 1993 daraus einnahm, waren 1996 nur noch 141 Millionen übriggeblieben. Im vergangenen Jahr nun sank die Einkommensteuer nach Angaben der Finanzverwaltung um 142 Prozent – die Einkommensumme sank unter den Nullpunkt, weil die Landeskasse 74 Millionen zurückerstatten mußte.

Neben den Einnahmen des Landes aus dieser Steuer sank auch die Summe, die die Berliner Einkommensteuerpflichtigen überhaupt an den Fiskus abgaben. Statt wie im vergangenen Jahr mit 2 Milliarden Mark beteiligten sich die Selbständigen und Menschen mit eigenem Einkommen nur noch mit 1,8 Milliarden an der Finanzierung von staatlichen Aufgaben in Bund und Land. Das entspricht einem Rückgang von 12 Prozent.

Die Tendenz, nach der sich die Besserverdienenden völlig legal aus der Steuerlast ausklinken, ist inzwischen gut dokumentiert. Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom September 1997 sind „insbesondere die Einnahmen aus den Gewinnsteuern stark rückläufig“. Zwischen 1993 und 1996 sind dem Land Berlin demnach bei der Zinsabschlagsteuer 20 Prozent, bei der Körperschaftsteuer 31 Prozent, bei der Gewerbesteuer 13 Prozent und bei der Einkommensteuer 78 Prozent verlorengegangen. Neben der hohen Arbeitslosigkeit und der Abwanderung von Firmen ins Umland nennt das DIW in seinem Bericht als Grund für den Schwund der Staatsfinanzen „an erster Stelle die steuerliche Förderung der Investitionstätigkeit in Ostdeutschland, die auch in Berlin das Steueraufkommen stark geschmälert hat“.

Finanzsenatorin Fugmann- Heesing bedauert „diese durch die Bundespolitik bedingte Entwicklung. Sollte im September die Bundesregierung abgewählt werden, gibt es die Chance für eine gerechtere Steuergesetzgebung.“ Bernhard Pötter