Gott steckt im Zwiebelschmelz Von Karl Wegmann

Werbung ist wundervoll. Die Reklame macht eine öde, graue Welt bunt und interessant. Werbefachleute sind tüchtige Menschen. Längst halten nicht nur sie selbst ihre Arbeit für wichtig. Neulich haben sie es gar geschafft, zwei Kindern neue, bessere Eltern zu besorgen. Die beiden Kleinen standen kurz davor, an Unterernährung zu krepieren. Gefragt, warum zum Teufel sie ihren Kindern nichts zu essen gegeben hätte, antwortete die Mutter: „Haben wir doch“, und zeigte einen Schokoriegel vor, „im Fernsehen sagen sie doch immer ,enthält alles, was Ihr Kind braucht‘.“ Also hatte sie ihre Kinder mit dem Süßkram gefüttert – und zwar ausschließlich. Die Kinder haben jetzt andere Eltern. Die Macht der Werbung!

Und die Reklame-Heinis werden immer besser. Natürlich brauchen auch sie Anregungen. Sie studieren aufmerksam gut verkäufliche Waren und versuchen sich an den Erfolg anzuhängen. Ein populärer Bestseller zum Beispiel leistet ihnen gute Dienste. Ein strahlender Held mit tragischem Ende, ein gräßlicher Bösewicht, Sex, Ehebruch, Verrat, Action und jede Menge Special Effects. Der Wälzer wird nicht umsonst „Buch der Bücher“ genannt. Die Weltauflage ist phänomenal und liegt noch vor der von Lenins gesammelten Werken, Agatha Christie und Mickey Spillane. Das Ding ist ein Verkaufsschlager, und da Diebstahl eine tragende Säule der Reklame ist...

Gott steckt in jedem lebenden Wesen und jetzt auch im Zwiebelschmelz. Die Firma „Bruno Fischer“ verkauft ihren pflanzlichen Brotaufstrich mit Bibelsprüchen. „Knoblauch Paste“ („deftig“) wird mit „Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam (Hebräer 4.12.)“ verscherbelt. „Scharfe Schote (zur Zeit nicht glutenfrei)“ wird dem Konsumenten mit „Verurteilt nicht andere, damit Gott euch nicht verurteilt (Jesus in Matthäus 7.1.)“ schmackhaft gemacht. Schöne Idee! Gleich zum Frühstück eine kleine Lektion in Demut. Selbstverständlich ergeben die Sprüche nur selten einen Sinn, aber das ist bei weltlicher Werbung ja nicht anders. Wenn man sich Zwiebelschmelz aufs Vollkornbrötchen schmiert und dazu liest: „Wir lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat“, so ist das einfach nett. Opium fürs Volk, verpackt in Kräuterpastete. Und Bruno Fischer tut noch mehr. Auf jedem Gläschen ist eine Info-Telefonnummer abgedruckt. Unter 02243/ 83122 kann man da mal eben 'ne Palette Zwiebelschmelz ordern und sich gleichzeitig erleuchten, bekehren, taufen oder firmen lassen, je nachdem was man gerade so braucht. Prima Service. Die Profi- Pfaffen können sich schon mal warm anziehen, oder aber sie steigen ins Zwiebelschmelz-Geschäft ein.

Die Idee, die religiöse Sprücheklopferei werbewirksam einzusetzen, ist noch längst nicht ausgelutscht. Für britisches Rindfleisch wäre sie vielleicht nützlich: Im Bild sieht man ein zitterndes BSE- Rind. Eine Stimme aus dem Off: „Der heilige Kirchenlehrer Hieronymus sagt ,Schlachtvieh für die Hölle‘. Sind Sie stark genug, dem Teufel ein Steak vom Teller zu nehmen? Britisches Rind! Heute im Sonderangebot!“ Und für die Werbefuzzis, die diesen kinderkillenden, matschigen Schokoriegel verkaufen, gibt's auch einen tollen Bibelspruch: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Anderer Text, gleiche Wirkung.