■ Das MAI soll weltweit Arbeitsplätze schaffen. Doch in Wahrheit geht es um die Zerstörung sozialer Standards. Vor allem für Frauen
: Schöne Worte, üble Praxis

Von den Befürwortern wird das geplante Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) als Weg zur Entwicklung der Völker, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Verbesserung des Lebensstandards gepriesen. Wunderbar? Mit der Frauenfrage als einer Art Lackmustest wird deutlich, was an den Behauptungen dran ist.

Das Abkommen, das die OECD ursprünglich noch in diesem Monat verabschieden wollte, soll Investoren weltweit Sicherheit vor Enteignung und vor der Diskriminierung gegenüber einheimischen Produzenten bieten. Die Regierungen geben das Recht auf, von den Konzernen konkrete Leistungen – etwa was die Einstellung von Arbeitskräften angeht – zu fordern. Verheißungen von mehr Wohlstand durch Investitionshandel und globalen Freihandel stehen allerdings im Gegensatz zu den Erfahrungen von Frauen in der Realökonomie. Seit 1980, dem Beginn der offenen neoliberalen Politik, hat sich ihre Lage weltweit verschlechtert. Sie leisten 66 Prozent aller Arbeitsstunden, verdienen nur 10 Prozent des Welteinkommens und besitzen nur 1 Prozent des Weltvermögens.

Und nicht nur in der „Dritten Welt“ erleben Frauen das Gegenteil dessen, was die Priester des radikalen Marktkapitalismus predigen. Das MAI macht deutlich, daß die kapitalistische Marktwirtschaft keine Gleichheit schaffen kann und will. Bestehen doch die Kostenvorteile für die globalen Spieler gerade darin, daß es irgendwo immer noch billigere Arbeitskräfte, laxere Umweltbestimmungen, ungehemmteren Zugriff auf nationale, regionale und lokale Ressourcen gibt. Die billigsten Arbeitskräfte und „Ressourcen“ sind weltweit Frauen.

Das Original des MAI-Verhandlungstextes enthält nicht einmal den bei internationalen Verlautbarungen sonst üblichen Begriff „gender“. Und falls das Abkommen von den OECD-Regierungen unterzeichnet wird (was momentan fraglich ist), werden Frauen die mageren Fortschritte in der Frauenförderung und der Frauengleichstellung komplett vergessen können. Rollback-Klauseln fordern den Abbau von Gesetzen, die nicht MAI-konform sind. Entsprechende neue Regelungen dürfen nicht mehr erlassen werden.

Bestenfalls gäbe es für Frauen also erst einmal eine Einfrierung des Status quo, bei dem Frauenförder- und Gleichstellungsmaßnahmen EU- und bundesweit nur empfehlenden Charakter haben. Nehmen wir an, die Bundesregierung würde nach Artikel 119 des Amsterdamer Vertrages über ihren patriarchalischen Schatten springen und ein Gesetz erlassen, daß Frauen zwecks Gleichstellung „spezifische Vergünstigungen“ im Beruf gewährt werden oder bisher ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse sozialversichert werden müßten: Nach dem MAI könnte ein ausländischer Unternehmer, der vor dieser Gesetzesinitiative investiert hat, den deutschen Staat wegen „indirekter Enteignung“ verklagen.

Zwar betont das MAI,daß „Kernarbeitsrechte“ und „Kern- Umweltrechte“ nicht abgesenkt werden sollten. Aber der weitaus größte Teil der Frauenarbeitsverhältnisse besteht nun mal aus ungeschützten Arbeitsverhältnissen – Heimarbeit, Zeitarbeit, 610-DM- Jobs, Arbeit auf Abruf, Saisonarbeit, Gelegenheitsarbeit. Und die Konzerne werden das Verbot der Absenkung von „Kernarbeitsstandards“ weiter umgehen, indem sie auf solche „atypischen Beschäftigungsverhältnisse“ ausweichen. Auch für Männer.

Wer nach einem Modell für zukünftige MAI-mäßige Beschäftigungsverhältnisse sucht, kann es in den sogenannten Freien Produktionszonen (FPZs), Exportproduktionszonen (EPZs) in Asien oder in den Maquiladoras in Mexiko und Zentralamerika finden. Sie sind das Geheimnis des raschen Wirtschaftswachstums von Ländern wie Süd-Korea, Hongkong, Taiwan, später Thailand, Indonesien, heute sogar Bangladesch, China und Vietnam. 80 bis 90 Prozent der Arbeitskräfte dort sind Frauen zwischen 15 und 25 Jahren, die entlassen werden, wenn sie heiraten, weil die Konzerne nicht für Mutterschutz zahlen wollen.

Die Firmen in den FPZs oder Maquiladoras brauchen weder Steuern noch Zölle zu zahlen, sie können ihre Profite vollständig exportieren, müssen keine Technologie transferieren und sind nicht gehalten, die Entwicklung des Gastlandes zu fördern. Und die Regierungen sorgen dafür, daß sie die billigsten und gefügsamsten Arbeitskräfte bekommen.

Das Committee of Asian Women berichtet, daß die südkoreanische Regierung die Gesetze so angepaßt habe, daß die Unternehmer nach Belieben Massenentlassungen durchführen und statt Vollzeit- Gelegenheitsarbeit einführen konnten. In El Salvador gibt der Staat Zertifikate aus. „Gutes Verhalten“ bedeutet: „kein Kontakt zu Gewerkschaftskreisen“.

In der Regel betragen die Löhne einen Bruchteil dessen, was eine Arbeiterin oder ein Arbeiter in den USA oder in Europa erhält. In Vietnam erhält eine Arbeiterin bei Keylinge-Toys 35 US-Dollar im Monat. Arbeitsschutz gibt es nicht, sie kann nach Belieben gefeuert werden, ist schutzlos sexuellen Belästigungen und physischen Mißhandlungen durch den Manager ausgesetzt. Um über die Runden zu kommen, muß sie Überstunden machen, so daß ein Arbeitstag bis zu 18 Stunden beträgt.

Diese FPZs, EPZs, Maquiladoras sind meines Erachtens das Modell, nach dem die MAI-Befürworter die Arbeitsverhältnisse auch in den reichen Ländern dieser Erde gestalten wollen. Auch Minister Rexrodt hat schließlich schon vor einigen Jahren auch für Deutschland Billiglohnsektoren gefordert, um das Kapital im Inland zu halten. Und Frauen seien ausgezeichnet für diese Jobs geeignet, sie könnten ja Familienarbeit und Erwerbsarbeit flexibel kombinieren.

Natürlich werden die Verhältnisse in deutschen und holländischen MAI-Quiladoras – so möchte ich sie nennen – nicht so unmenschlich sein wie in China, Vietnam, Bangladesch oder Sri Lanka. Sie werden auch schönere Namen haben – wie das von der Vestischen Gruppe der IHK Münster geförderte Projekt „New Park“, für das ausländische Investoren angeworben werden sollen. Zu den Rahmenbedingungen gehören ein exkommunaler Status mit der Befreiung von Gewerbe- und Grundsteuern sowie niedrige Gebühren für Ver- und Entsorgungsleistungen, neue Wege der Tarifgestaltung, flexible Arbeitszeiten und variable Lohnformen. Das zeigt die Richtung an. SPD und Gewerkschaften unterstützen das Projekt übrigens als „Chance". Maria Mies