■ Mit Aktienbesteuerung auf du und du
: Warten spart Steuern

Berlin (taz) – Wer Aktien besitzt und keine schnelle Mark verdienen will, muß seine Kursgewinne nicht mit Finanzminister Theo Waigel teilen. Steuerpflichtig ist nur, wer die Wertpapiere innerhalb von sechs Monaten wieder verkauft. Kann der Aktionär sich einen einzigen Tag länger gedulden, darf er das Geld ohne Abzug einsacken. Bei Immobilien sieht es ähnlich aus; nur dauert die Wartezeit hier zwei Jahre.

Darüber tut der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler seinen Unmut in der Bild am Sonntag kund: „Es ist einfach ungerecht, wenn sogar Kranke bei uns im Jahr 500 Millionen für Medikamente zuzahlen müssen und gleichzeitig durch Aktienvermögen Milliarden verdient werden, für die keine Steuern gezahlt werden müssen.“ Recht hat der Mann. Das sehen sowohl konservative als auch progressive Steuerexperten so. Die achtköpfige Expertenkommission unter dem Vorsitz von Peter Bareis hatte bereits im November 1994 dieses Steuerloch angeprangert. Den Auftrag für die Expertise hatte das Gremium von Theo Waigel bekommen. Doch der diffamierte das Papier noch am selben Tag und ließ es in der Schublade verschwinden. Selbst das Handelsblatt machte damals den Druck der Banken, die gut am Handel mit Aktien verdienen, dafür verantwortlich. Erst 1996 tauchte das Papier angesichts von Waigels massiven Finanzproblemen wieder auf. Jetzt will er immerhin die Spekulationsfrist für Aktien von sechs auf zwölf Monate raufsetzen. Und der Gewinn auf Immobilien soll erst nach zehn Jahren steuerfrei sein. Doch Bareis und seine Kollegen fordern die Abschaffung jeglicher Frist.

Auch der stellvertretende CDU-Fraktionschef Heiner Geißler befürwortete am Wochenende eine Spekulationssteuer – doch nur auf internationaler Ebene. aje