Schweinefleisch und Eistee statt Soziales

■ US-Kongreß bewilligt 850 Mrd. Mark für Straßenbau, die im Haushalt gar nicht da sind

Washington (taz) – Mit einem Straßenbauprogramm in Höhe von umgerechnet 850 Milliarden Mark hat der amerikanische Kongreß vor der Osterpause das größte Arbeitsbeschaffungsprogramm in der Geschichte der USA verabschiedet. ISTEA steht für Intermodal Surface Transportation Efficiency Act und wird „Ice Tea“ ausgesprochen. Kritiker meinen allerdings, daß es sich eher um Gepökeltes handelt. „Pork“, Schweinefleisch, nennt man im amerikanischen Politjargon Bundesmittel, die Abgeordnete für ihren Wahlkreis mit nach Hause bringen. 400 der 435 Wahlkreise sollen durch ISTEA Gelder für lokale Projekte erhalten. Aber was haben drei Millionen für einen botanischen Garten oder sechs Millionen für die Erforschung von Rückgratverletzungen mit Verkehr zu tun?

Eigentlich wird das Geld für das Straßenbauprogramm nach einem bestimmten Schlüssel verteilt, aber bevor der überhaupt angelegt wird, sind bereits 18 Milliarden für die Anliegen einzelner Abgeordneter ausgegeben und weitere 18 Milliarden für den öffentlichen Personennahverkehr, der eigentlich in die Zuständigkeit der Kommunen gehört. Für derartige Zuwendungen gibt es eben eigene Regeln: Wer seine Stimme im Verkehrsausschuß immer im Sinne des Vorsitzenden Bud Shuster abgegeben hat, bekommt 80 Millionen, „normale“ Abgeordnete nur 15 Millionen. Nur wenige Mitglieder des Repräsentantenhauses sind angesichts dieses Schlachtfestes prinzipientreu geblieben. Shuster selbst, ein zwölfmal wiedergewählter Republikaner aus Pennsylvania, hat dafür gesorgt, daß 130 Projekte im Werte von 1,2 Milliarden Mark nach Pennsylvania gehen, darunter 14 Millionen für ein Verkehrsmuseum in Allentown.

Die Entscheidung des Parlaments für das Programm verletzt aber nicht nur republikanische Prinzipien, sondern auch den Geist der Haushaltskompromisses, den Clinton letztes Jahr mit dem Kongreß ausgehandelt hatte und der den ersten ausgeglichenen Haushalt seit dreißig Jahren ermöglicht hat: Die Ausgaben überschreiten die für den Straßenbau geplante Summe um 60 Milliarden Mark.

Um die Frage, wo das Geld herkommen soll, haben sich die Abgeordneten gedrückt, aber durchblicken lassen, daß die Gefälligkeiten auf Kosten der von Clinton geplanten Ausgaben für Erziehung und Krankenversicherung stattfinden könnten. Das Weiße Haus hat angekündigt, daß es sich nicht auf Abstriche bei den Sozialausgaben einlassen wird. Die Rollen scheinen vertauscht: Ein Präsident der auf Einsparungen setzt, gerät an einen Kongreß, der das Geld zum Fenster hinausschaufelt. Auch der Senat hat ein Straßenbauprogramm in ähnlicher Höhe, aber mit einem sehr viel größerem Anteil für den Schienenverkehr und weniger Gefälligkeitsprojekten verabschiedet. Nach der Osterpause muß der Vermittlungsausschuß einen Kompromiß finden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Clinton die Gesetzesvorlage mit seinem Veto belegt. Peter Tautfest