„Genetische Zwangsprobe nicht ohne Gesetz“

■ Sonst sind Speicheltests nicht rechtsstaatlich, meint der Anwalt und Grüne Christian Ströbele

taz: In Cloppenburg jagt die Polizei einen Kindermörder, indem sie 18.000 Männer zu einem „freiwilligen“ Gentest einlädt. Hat das Aussicht auf Erfolg?

Hans-Christian Ströbele: Darüber ließe sich vielleicht reden, wenn ein weiteres Verbrechen vermieden oder schnelle Aufklärung möglich wäre. Aber das wird nicht der Fall sein. Diese Maßnahme riecht nach blindem Aktionismus der Polizei.

Sie sieht Ermittlungsvorteile.

Dabei ist die Genanalyse eine umstrittene Methode. Nach Bundesgerichtshof reicht eine Genanalyse nicht für eine Verurteilung, weil schon bei der Einzelprobe zu viele Fehlerquellen vorhanden sind. Nun werden 12.000 Untersuchungen vorgenommen.

Die Speichelspender sind jedenfalls Feuer und Flamme.

Es mag sein, daß sich der einzelne nun weniger verunsichert fühlt. Etwa, weil er bei Freunden sagen kann: Ich habe den Test gemacht. Aber der Massentest ist rechtsstaatlich mit erheblichen Gefahren verbunden. Es ist doch kein Zufall, daß der Innenminister die Aufgebrachtheit über den schrecklichen Mord nutzt, um eine zentrale Gen-Datei anzulegen.

Die Cloppenburger Ergebnisse sollen hinterher vernichtet werden.

Wir wissen bis heute nur, daß dort konkret Verdächtige und Straftäter gespeichert werden sollen. Aber bleibt das so? Wer kontrolliert, ob solche Reihenuntersuchungen wie im Mordfall Christina nicht gespeichert werden?

Geht es überhaupt, alle 18- bis 30jährigen einer Region pauschal zu Verdächtigen zu machen?

Bei der Schleppnetzfahndung oder anderen verdachtsunabhängigen Kontrollen gibt es das bereits. Es ist nicht möglich, alle Bürger eines bestimmten Alters einer Zwangsuntersuchung zu unterwerfen. Dazu bedürfte eines Gesetzes, das genetische Massenfahndungen wie jetzt die in Cloppenburg ermöglicht. Sonst ist es rechtsstaatlich nicht in Ordnung. Aber hier geht es ja um Freiwillige in Anführungsstrichen.

Kann man freiwillig sagen – in einem kleinen Ort, wo jeder jeden kennt und die Polizei ankündigt, Verweigerer im Einzelfall „sorgfältig zu prüfen“?

Psychischer Druck ist so wirksam wie Zwang. Für mich erhöht das nur die Zweifel: Ein Verdächtiger wird versuchen, „seinen“ Speichel abzugeben – und dabei zu manipulieren. Interview: Christian Füller