Konversation mit einem Käfer

■ Beat-Pack im Doppel-Pack: Das Zeise zeigt Naked Lunch und The Beat Generation

Um es kurz zu machen: Naked Lunch, das Buch, mit dem William S. Burroughs seinen literarischen Ruhm begründete, ist nicht verfilmbar - am besten wußte das der, der es 1991 verfilmte: „Man bräuchte 400 bis 500 Millionen Dollar, um den Film getreu der Vorlage umzusetzen. Darüber hinaus wäre in jedem Land der Welt ein Aufführungsverbot absehbar“, verkündete David Cronenberg – und drehte unbeeindruckt seine Version des Burroughsschen Hauptwerks.

Zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung, 1953, sprach Naked Lunch in bis dahin ungekannter Offenheit über Drogen im allgemeinen und Heroinabhängigkeit im besonderen; es schwelgte in homosexuellen Phantasien oder überzeichnete Gewaltszenen ins Groteske. Lokalisiert waren diese Szenen in einer Gesellschaft, der das Regellose zur Regel wurde. Burroughs verzichtete auf handelsübliche Reuebekenntnisse und Mahnworte. Dabei war die Unverfilmbarkeit des Romans nur zum Teil in seinen explicit lyrics begründet, als sperriger erwies sich Burroughs Schreibtechnik des Cut-Up. Dadaistische Collagetechniken wurden auf die Literatur übertragen, indem Texte mit der Schere bearbeitet und zerschnittene Stories in eine absurde Reihenfolge gebracht wurden.

Im Film ist solch formellen Experimenten schwer zu folgen, zu sehr widersteht dies jener Zuschauersozialisation, wonach Inhalte und Metaerzählungen zumeist über das Vehikel des Plots zu liefern sind. Cronenberg konnte nur mit dieser Sozialisation arbeiten, nicht gegen sie, zumal für die aufwendige Ausstattung des Films rund 17 Millionen Dollar notwendig waren - Investoren schätzen das Risiko nicht.

In diesem Dilemma mischte Cronenbergs Naked Lunch-Kompromiß Motive aus der Burroughs-Biographie, wie dessen Jobs als Kammerjäger, seiner Drogenabhängigkeit und insbesondere den Umstand, daß er bei einem Alkoholgelage seine Frau Joan Vollmer (im Film Judy Davis) erschoß. Burroughs-Darsteller Peter Weller erscheint nicht nur als Schriftsteller, der an der Schreibmaschine mit den Worten ringt, er betreibt auch mit allerhand mutierten Insekten tiefgründelnde Konversation. Hier konnte Cronenberg all das einbringen, was er mit Filmen wie Videodrome und The Fly zu seinem Markenzeichen gemacht hatte.

Recht konventionell erscheint dagegen der Dokumentarfilm The Beat Generation - An American Dream (1986) von Janet Foreman, bei der von Thelonious Monk bis Neal Cassady alle Figuren des Beatnik-Kosmos' auftauchen. Aber im Zentrum stehen natürlich Allen Ginsberg, Jack Kerouac und eben William Burroughs, die in den späten Vierzigern die Keimzelle des zunächst literarischen Aufstandes gegen den auf Hochtouren prosperierenden Nachkriegs-Fordismus in den USA waren, der insbesondere der weißen Mittelschicht materielles Auskommen bei geistiger Dürre verhieß.

Kerouac und Burroughs verband ein „Romantizismus des Kriminellen und Vagabundenhaften“(Ginsberg). Vieles aber trennte sie: Während Kerouac den Kampf gegen die rückhaltlose Integration des Individuums in die Corporate Identity-USA kämpfte und sich hierzu der musikalischen Intensitäten der ausgegrenzten schwarzen US-Kultur bediente, erscheint Burroughs wie ein zu früh geborener Postmoderner, der auf die Idee des Subjekts pfeift. Während Amphetamin-Mann Kerouac durch manisches Reisen dem geistigen Stillstand zu entkommen trachtete, reduzierte Junkie Burroughs die Idee des eigenverantwortlichen Subjekts auf ein im Wesen erloschenes Reiz-Reaktions-Schema: „Stochere in meinem nackten verdreckten Fuß nach einer Vene ... Junkies kennen kein Schamgefühl ... die angewiderte Reaktion von anderen läßt sie völlig kalt... Es ist fraglich, ob so etwas wie Schamgefühl überhaupt zustande kommen kann, wenn die Libido außer Funktion ist.“

Nachzutragen bleibt, daß Kerouac im Alter von 41 Jahren als Alkoholiker starb, während Burroughs, in den letzten Jahren seines Lebens clean und bei guter Gesundheit, 82 Jahre alt wurde.

Nils Michaelis

Naked Lunch: Mo, 20. und Di, 21. April, 22.45 Uhr. The Beat Generation: Mo, 27. und Di, 28. April, 22.45 Uhr, Zeise