■ Filmstarts à la carte
: Musik ist Trumpf

Dem überwiegenden Teil des Kinopublikums wird er vermutlich bis in alle Ewigkeit als der Westernheld mit den gemeißelten Gesichtszügen in Erinnerung bleiben. Dabei hat sich Clint Eastwood auch als Regisseur mit nunmehr zwanzig Filmen in den letzten achtzehn Jahren einen Namen gemacht und ist dabei vor unkommerziellen Projekten nie zurückgescheut. Mit „Bird“, einer Biographie des Jazzmusikers Charlie Parker, schuf Eastwood 1988 einen seiner ungewöhnlichsten Filme. Kein Heldenleben gab es da zu erzählen: Der wenig gesundheitsfördernde Lebenswandel des berühmten Bebop- Saxophonisten (Heroin, Alkohol, viele Frauen, kein Geld) führte zu seinem verfrühten Tod im Alter von nur 34 Jahren.

Ein Leben ohne Lichtblicke – Jazzfan Eastwood und sein Kameramann Jack N. Green nahmen das wörtlich und schufen ein konsequent düsteres und melancholisches Porträt des Musikers und seines Wirkens zwischen verräucherten Bars und finsteren Absteigen, zwischen Genie und völliger Maß- und Haltlosigkeit. Als die Geschichte in den frühen Fünfzigern einsetzt, ist Parker bereits ein Wrack: drogensüchtig, suizidgefährdet und vorübergehend in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Keine sechs Monate wird er mehr zu leben haben – von der deprimierenden Gegenwart ausgehend, entwirft Eastwood die Lebensgeschichte des Saxophonisten sodann in einem Puzzle aus nicht-chronologischen Rückblenden und Erinnerungen. Forest Whitaker spielt den genialen Musiker wie einen kleinen Jungen: oft störrisch und trotzig, immer auf der Suche nach Anerkennung, nie kompromißbereit. Für kurze Zeit Halt bietet Parker nur seine Gattin Chan (die brillante Diane Venora war erst kürzlich der einzige Lichtblick in der scheußlichen „Schakal“-Neuverfilmung), letztlich aber siegt seine selbstzerstörerische Natur.

Angesichts eines Films über Amadeo Modigliani hat sich François Truffaut einmal gefragt, ob der Maler wohl trank, weil er genial war, oder ob er genial war, weil er trank. Mit „Bird“ hat Eastwood diese Frage für den Protagonisten einer Kunstform des 20. Jahrhunderts neu aufgeworfen.

Musik als Lebensgefühl bietet auch Michelangelo Antonionis „Blow Up“: Herbie Hancocks orgellastiger Beat-Soundtrack und der Auftritt der Yardbirds (die sich nach Charlie Parkers Spitznamen benannten) tragen nicht unerheblich dazu bei, daß uns der Film heute wie ein nahezu authentisches Dokument aus der Zeit der mittleren sechziger Jahre vorkommt. Die Unschuld der „Swinging Sixties“ war bereits verflogen, die psychedelische Ära noch nicht ganz eingeläutet: Mit Carnaby-Street-Mode und Kifferparties markiert „Blow Up“ die spannende Übergangsperiode. Was es sonst noch gibt: einen Fotografen, einen Beinahe- Kriminalfall und wunderschön gefilmte Autofahrten durch London.

Lars Penning

„Bird“, 18./19.4. im Arsenal

„Blow Up“, 18./19.4. im Babylon-Mitte