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: Krimi im Abseits

■ Mord in der schwäbischen Fußballprovinz: Sehr viel Fußball, sehr wenig Spannung

Weltbewegende Veranstaltungen wie die alle vier Jahre stattfindende Fußball-Weltmeisterschaft laden dazu ein, Waren zu produzieren, um sie im Zusammenhang mit dem Ereignis zu verkaufen. Relativ frühzeitig ist in diesem Jahr der Verlag Elefanten Press daran, der mit „Mord im Abseits“ einen im Fußballmilieu angesiedelten Kriminalroman veröffentlichte. Um erst gar keine Mißverständnisse entstehen zu lassen, ziert das Buchcover ein (blutverschmierter) Ball. Allerdings wird gegen diese Sorte Ball bereits seit rund zwanzig Jahren nicht mehr getreten; auch nicht in den Niederungen des deutschen Fußballs, wo die Geschichte des Krimis spielt.

Die Handlung ist eher banaler Art und kann schnell abgehakt werden. „Mord im Abseits“ gehört zu der Sorte Krimis, die aufgrund ihrer dürftigen Sprache und ihres sowohl einfallslosen als auch langweiligen Plots kaum noch Kreisklassenniveau aufweisen. Trotzdem ist es ein bemerkenswerter Kriminalroman.

Der Autor Titus Simon, Jahrgang 1954 und als Hochschullehrer tätig, unternimmt den Versuch, seine schwache Geschichte mit Hilfe einer Vielzahl von Zitaten aufzumotzen und ihr dadurch eine gewisse philosophische Tiefe zu verschaffen. Eifrig werden Dietrich Schulze- Marmeling („Der gezähmte Fußball“), Nick Hornby („Fever Pitch“), Helmut Böttiger („Kein Mann, kein Schuß, kein Tor“) und andere zitiert. Gleichzeitig erhält der/die LeserIn einen Überblick über die von Simon abonnierten Zeitungen und Zeitschriften. Dazu gehören nämlich die Murrhardter Zeitung, Die Zeit, Freitag, Konkret, taz und noch einige mehr. Jedem noch so kleinen Kapitel ist ein mehr oder weniger passendes Zitat vorangestellt, und der Verdacht drängt sich auf, daß es nur so viele Kapitel gibt, weil so viele Zitate unterzubringen waren. Gnadenlos nutzt Simon außerdem jede Gelegenheit, sein Fußballwissen zu präsentieren, wobei gnädig davon auszugehen ist, daß die zahllosen Fehler bei der Namensschreibung (Kliensmann, Sepp Meier, Böckelberg usw.) nicht auf sein Konto gehen. So hat er beispielsweise ein kurzes Kapitel über den Niedergang des DDR-Fußballs eingefügt, welches für den Fortgang der Handlung weniger als nebensächlich ist. In seinem Archiv fand sich aber wohl noch ein Artikel über den 1. FC Union Berlin, der dringend unterzubringen war.

Titus Simon prangert die Verstrunzung des deutschen Fußballs aufs schärfste an. Keiner ist vor ihm sicher, nicht der kicker, nicht „ran“ und auch nicht Franz Beckenbauer. Für Simon endet die deutsche Fußballkultur im Jahre 1977. Deutscher Meister wurde in jenem Jahr übrigens Borussia Mönchengladbach mit einem in Sachen Fußballkultur unzweifelhaft an herausragender Stelle stehenden Berti Vogts.

„Mord im Abseits“ liest sich wie das Hohelied auf Ernst Huberty, Günther Koch und Günter Netzer. Simon verabscheut Kommerz und bewundert die Fans des FC St. Pauli. Das darf er ja auch, nur warum mußte er es unbedingt aufschreiben? Und was hat das alles mit einem spannenden Krimi zu tun. Michael Bolten

Titus Simon: „Mord im Abseits“. Verlag Elefanten Press, Berlin 1998, 18,90 DM