■ Koalitionskrise: Was die CDU/CSU derzeit auch tut – es hilft nicht
: Das Dilemma der Union

Die Diskussion in und zwischen den Unionsparteien wird nicht zur Ruhe kommen. Es geht um Weichenstellungen für die Zeit nach Kohl, um Politik-, Macht- und Strategiefragen. Schäuble konfrontiert CDU und CSU und die Wähler mit der neuen Wirklichkeit. Nicht nur bei den Energiesteuern, sondern deutlicher noch bei den sozialstaatlichen und arbeitsmarktpolitischen Perspektiven setzt er neue Akzente. In einem argumentativen Wahlkampf über die Zukunft des Landes sieht er offensichtlich die einzige Chance für die CDU, das Blatt noch zu wenden. Gerhard Schröder versucht sein Glück als jüngere Variante des Status quo, den in den vergangenen 20 Jahren kaum einer so überzeugt und überzeugend repräsentierte wie Helmut Kohl. Der bayerische Ministerpräsident will vor seinen Landtagswahlen lieber scharfe Konturen als unbequeme Wahrheiten. Auch ohne diese Debatte wäre Schäuble mit seiner mutigen Strategie ein ziemlich einsamer Mann gewesen.

Die Machtfrage: Nie war die CSU für Kanzler und CDU so bequem wie in den Jahren seit dem Tod von Franz Josef Strauß. Wenn sie nicht weiter an Bedeutung verlieren will, dann muß sie aus ihrer Sicht die Nachfolge Kohls offenhalten, durch ein Superergebnis bei der Landtagswahl die CDU bei der Bundestagswahl klar distanzieren und immer wieder einen Anlaß finden, politische Pflöcke (oder was sie dafür hält) einzuschlagen. Die Logik des Erfolgs weist die CSU in eine andere Richtung; sie sucht die Abgrenzung vor einer unpopulären Bundesregierung.

Debatten kann man beenden. Diese Strategiefrage aber ist schwer aus der Welt zu schaffen. CDU und CSU können noch immer die stärkere Fraktion einer Großen Koalition werden. Aber in anderer Hinsicht stecken sie in einer No-win-Situation: Was immer sie tun und lassen, es führt sie nur tiefer in ihr Dilemma. Je deutlicher sie Schäuble herausstellen, um so mehr relativieren sie den Kanzler. Je mehr sie Kohl und Kontinuität betonen, um so attraktiver wird Schröder: die Kontinuität mit neuem Gesicht. Was jahrelang versäumt wurde, eine politische Debatte über wichtige Zukunftsfragen, kann die Union in einem Wahlkampf nicht wettmachen. Nicht durch ein kluges Programm der CDU. Nicht durch Interventionen der CSU. Und schon gar nicht durch Ersatzdebatten, die so beliebig kommen wie sie wieder gehen. Warnfried Dettling

Der Autor lebt als Publizist in München