Kein Hinrichtungsaufschub in Virginia

■ In den USA wurde ein als Mörder und Vergewaltiger verurteilter Paraguayer per Giftspritze getötet. Internationale Proteste halfen nicht

Washington (taz) – Um 22.39 Uhr Ortszeit wurde in der Todeskammer des Gefängnisses von Jarrat im US-Bundesstaat Virginia der Tod des 32jährigen Angel Francisco Breard festgestellt. Das Oberste Gericht der USA hatte Stunden vorher den Antrag Paraguays verworfen, die Hinrichtung des paraguayischen Staatsbürgers auszusetzen, und auch James Gilmore, der Gouverneur von Virginia, hatte eine vom Internationalen Gerichtshof geforderte und von der US-Außenministerin Madeleine Albright erbetene Aufschiebung abgelehnt. Das Außenministerium Paraguays erklärte in Asunción, mit der Vollstreckung des Todesurteils sei ein Menschenrecht geopfert worden, das Recht auf Leben.

Angel Francisco Breard starb in der Nacht auf Mittwoch an einer Giftinjektion. „Ehre sei Gott“, seien seine letzten Worte gewesen. Seine zweite Frau Roseanna, die er 1996 in der Haft geheiratet hatte, seine Mutter und die beiden Stiefsöhne hatten die letzten Stunden bei ihm verbracht.

Breard hatte im Februar 1992 seine Nachbarin Ruth Dickie zu vergewaltigen versucht. Als die Frau Widerstand leistete, hatte er sie mit einem Messer erstochen. Gefaßt und des Mordes beschuldigt wurde er, als er sechs Monate später abermals eine Frau im nördlichen Virginia zu vergewaltigen versucht haben soll. Er wurde zum Tode verurteilt. Der Staat Paraguay, in dessen Washingtoner Botschaft sich niemand für den Fall interessiert zu haben scheint, als er vor einem Gericht in Virginia verhandelt wurde, macht heute geltend, die USA hätten die Wiener Konvention verletzt, wonach Ausländer, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, das Recht haben, sich mit einem Vertreter ihrer Botschaft in Verbindung zu setzen.

Virginia hat es versäumt, Angel Breard auf dieses Recht hinzuweisen. Paraguay wandte sich an den Internationalen Gerichtshof, der eine Aussetzung der Vollstreckung bis zur Hauptverhandlung anordnete, und gleichzeitig an das Oberste Gericht der USA. Washington bot das Schauspiel, daß sich zwei Regierungsinstanzen zu widersprechen schienen.

Während der Anwalt des Justizministeriums auf das Recht des Bundesstaates Virginia pochte, ein rechtmäßig erwirktes Urteil auch zu vollstrecken, wandte sich Außenministerin Madeleine Albright in einem Brief an den Gouverneur von Virginia mit der Bitte, das Urteil auszusetzen. Sie mache sich Sorgen um das Schicksal von US- Bürgern, die außerhalb der USA vor Gericht kommen und schließlich so behandelt werden könnten wie der Paraguayer in den USA. Die Ministerien argumentierten nur scheinbar widersprüchlich. Der Clinton-Regierung ging es darum, eine international peinliche Situation zu bereinigen, ohne in den Verdacht zu geraten, sich in die Justiz eines Bundesstaates einzumischen oder — schlimmer noch — sich internationalem Druck zu beugen.

Erst vorige Woche hatte die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen einen Bericht über die Handhabung der Todesstrafe in den USA vorgelegt und damit im Senat für Entrüstung gesorgt. „Diesen Bericht sollte jeder Amerikaner bekommen“, zürnte der erzkonservative Senator Jesse Helms, der sich als Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses gegen die Zahlung der US-Schulden bei der UNO sperrt, „damit jeder sieht, womit die UNO ihre Zeit und amerikanische Steuergelder verschwendet.“

Es ist das zweite Mal in sieben Monaten, daß sich eine ausländische Regierung vergeblich gegen ein Todesurteil im Bundesstaat Virginia gewandt hat. Am 17. September 1997 war der Mexikaner Mario Benjamin Murphy trotz Protesten aus Mexiko hingerichtet worden. Auch in seinem Fall hatte sich Madeleine Albright an den Gouverneur von Virginia gewandt. Peter Tautfest