Gitter, Wasser und Brot für den Schwarzarbeiter

■ Nun auch er: Der Sozialdemokrat Rudolf Scharping will Schwarzarbeiter in den Knast stecken lassen

Berlin (taz)– Was haben Rudolf Scharping, Hinrich Küssner und meine Oma gemeinsam? Sie sind manchmal dumm. Das muß man so hart ausprechen. Es ist nämlich so, daß alle drei im Buch der schwarzen Pädagogik nachschlagen, wenn es um Vermittlung und Verständnis geht. Als ich Kind war, schaltete meine Oma die Herdplatte an, legte meine Hand darauf und sagte: „Feuer macht aua.“ So einfach waren für sie die Regeln dieser Welt. Unnötiger Schmerz gehörte dazu.

Auch der SPD-Fraktionschef Scharping und sein Parteispezi Küssner, Sozialminister von Mecklenburg-Vorpommern, mögen solche Aua-Tests. Ihre einfache Botschaft: Wer schwarzarbeitet und die Sozialabgaben prellt, soll ins Kittchen. Das tut weh. Und soll Zeit für Buße und Reue geben. Und wer einmal gesessen hat, macht es nie wieder? Leider haben sie die Sache nicht ganz durchdacht, der Rudolf und der Hinrich. „Schwarzarbeit ist Volkssport“, weiß der Linzer Ökonomieprofessor Friedrich Schneider. Die Knast-Rufe hält der Fachmann für illegale Arbeit schlicht für „närrisch. Da müßten Sie halb Deutschland hinter Gitter sperren.“ Allein in diesem Jahr dürfte die illegale Konkurrenz 560 Milliarden Mark in Deutschland umsetzen. Nach Schneiders Berechnungen macht dies etwa 15 Prozent des Bruttoinladsprodukts aus.

Es sind Geschichten, die jeder kennt: Der neue Parkettboden im Flur wird am Wochenende verlegt, für die Beule im Auto findet der Meister an Ostern Zeit, bei Einbruch der Dunkelheit kommt Leben auf die Baustelle. Größter Nachfrager sind die privaten Haushalte, sie geben etwa zwei Drittel aller Aufträge an die Schattenwirtschafter. Drei Millionen Menschen arbeiten regelmäßig schwarz, schätzt Ökonomieprofessor Schneider; nur ein kleiner Teil von ihnen ist arbeitslos. Sollen die alle in den Knast? Wer soll das bezahlen? Die SPD? Oder übernehmen Scharping und Küssner die Kosten alleine? Letztlich also erweist sich die „Macht-aua-Idee“ als untauglich, denn niemand läßt sich von der beschränkten Phantasie der Politiker abschrecken. Seit Anfang des Jahres liegen die Geldbußen für Schwarzarbeit bei 200.000 Mark. Und auch im Bundesarbeitsministerium weiß man, daß derartige Maßnahmen bestenfalls symbolischen Charakter haben. Referatsleiter Dieter Marschall sagte kürzlich: „Bei Schwarzarbeit wirkt die Höhe der Strafe wenig abschreckend, die Verfolgungsdichte ist entscheidend.“

Die illegale Beschäftigung von Ausländern auf Baustellen wird scharf kontrolliert. Die Bundesanstalt für Arbeit sagt, die Kontrollen hätten sich von den Gaststätten mehr auf die Baustellen verlagert. Doch die Putzfrauen, die zu Hunderttausenden Deutschlands Wohnungen in Schuß halten, lassen sich kaum kontrollieren. Sie gehören zu den „guten“ Schwarzarbeitern, die Privatleuten das Leben angenehmer machen. Das wird so bleiben, trotz des dummen „Aua- Tests“. Annette Rogalla