Musikalische Manifeste gegen die Macht des Unsinns

■ Das Instrumental-Quartett Hundhammmer geht mit Holger Czukay ins Zentrum des Misthaufens

Es gibt Musiker, deren Kompositionen ein Manifest in sich tragen. In ein paar Fällen beschreiben sie dies in der Weise, wie andere den Marshallstab aus dem Tornister hervorziehen. Diesen Musikern ist nicht bloß daran gelegen, eine die Eingeweihten und ein paar mehr einschwörende Äußerung zu liefern. Ihre Kompositionen haben viele oder große Anliegen, die Nachahmung serieller Musik aus dem Geist des Songs zum Beispiel. Das Manifest ist ihnen ein Anliegen von Priorität, so wie für andere ein fetter Klang oder ein prächtiger Bass-Grove.

Die nach einem bayerischen Landwirtschaftsminister aus den 50er Jahren benannten Hundhammer spielen so, daß man ihnen ihre Manifeste abnimmt. Ihre Kompositionen erinnern entfernt an Strategieskizzen im musikalischen Format, eine Art komprimierte Offensive. Wer solche Skizzen fertigt, läßt einige Arbeitsfelder hinter sich, die für andere zu betreten schon bedeutet, Maximalforderungen zu stellen. Im Falle von Hundhammer heißt das, daß in ihren Stücken auch der helle Wahnsinn schon mal mit einer untergeordneten Rolle als lustige Person abgespeist werden kann.

Die fast durchgängig instrumentale Musik von Gitarrist Max Knoth, Keyboarder Felix Knoth, Bassist Rudi Buhr und Schlagzeuger Lars Horl erzählt wie einer, der auszieht, um zu lernen, einen Weg aus lauter Unsinn und Nötigungen geht. Im Zentrum eines sehr großen Misthaufens angelangt, hat sich immer noch kein Mittel gefunden, das dem Unsinn die Macht nimmt. Derjenige, der auszieht, findet keine Entsprechung zu seinem ausgeprägten, aber gleichzeitig kaum faßbaren Lebensgefühl.

Das stellt vor Aufgaben, die sich mit Eisenspänen gewaschen haben. Hundhammer fühlen sich von innen aufgemischt und ansonsten verpflichtet, im jeweils neuen Jahr gegen das vergangene zu kämpfen. Wenn das vergangene Jahr sich aber doch noch, weil einige Leute nicht schnell genug waren, in das neue Jahr reinstreckt, dann singschreit ihnen Felix Knoth entgegen. Dem gehetzten „Nein! Nein! Nein!“, das sich ausnimmt, als sollte dem Abtransport der letzten Mülltüte des letzten Rests Gegenkultur widersprochen werden, folgt ein „Bitte nicht!“, das eigentlich meint: Die Täter sind unter uns. Und Hundhammer haben wenig Lust, den teilweise auf Meta-Ebenen ausgefochtenen Kampf über Unsinn selbst Unsinn werden zu lassen.

Das Quartett arbeitet nach einem beschreibbaren Prinzip: Am Anfang eines Stückes steht ein etwas verzweifeltes Wüten sowie eine monumentale Gier nach Durchmärschen. Beim Arrangieren hilft es Hundhammer hörbar, sich von drei Holgern inspirieren zu lassen. Dem Can-Bassisten, Radio-Sci-Fi-Theoretiker und Paradiesvogel Holger Czukay. Außerdem Holger Hiller, der mit Palais Schaumburg Wahnsinn und Gesellschaft in einen Zusammenhang gesungen hat. Schließlich das im Hungerstreik gestorbene RAF.-Mitglied Holger Meins, das den langen Durchmarsch auf dem Weg zum Gegenmodell vom oben erwähnten Mist mit den möglichen Konsequenzen in Kauf nahm. Über die eskapistische Seite von Hundhammer, ihre Stilisierung von Verrückheit und ihre Manier, das Abseits als sicheren Ort für elitäre Enttäuschte darzustellen, reden wir später.

Kristof Schreuf

mit Helgolandrest und Reznicek am Do, 3. 8. , Rote Flora, 21 Uhr