: Was ist sexuelle Belästigung?
■ David Mamet verfilmt sein umstrittenes Theaterstück Oleanna
Es gibt wohl wenige Stücke, deren Wahrnehmung so stark vom Geschlecht abhängen. Die Frage, die die Paare bei den weltweiten Aufführungen des Theaterstücks von David Mamet trennte, lautet wohl: Ist Oleanna Teil eines konservativen Backlashs, der etwa wie in Enthüllung Männer zu Opfern macht, oder werden die Gefahren der Political Correctness aufgezeigt, die sich in Allianz mit dem Gesetz zu einer erbarmungslosen Inquisition wandelt? Einfache Antwort liefert Mamets Stück jedenfalls nicht.
Die Story ist dabei kurz erzählt. Die Studentin Carol (Debra Eisenstadt), die ihr Kursziel verpaßt hat, versucht, ihren Professor John (William H. Macy) noch umzustimmen. Als sie sich nicht abwimmeln läßt, inszeniert sich der allseits geschätzte Lehrmeister, den der liberale Geist der 70 Jahre umweht, als Freidenker und plaudert munter drauflos. Als er ihr die Bestnote verspricht, wenn sie weiterhin seine Sprechstunde besuchte, und dabei allzu deftige Metaphern benutzt, bezichtigt sie ihn der sexuellen Belästigung. Ein ruiniertes Leben wegen ein paar unbedachten Äußerungen, ist das noch verhältnismäßig?
Sexuelle Belästigung beginnt in den USA beim Aufhängen von Pin-Ups am Arbeitsplatz, und selbst ein leitender Angestellter wie Bill Clinton wurde, wenn auch erfolglos, von der Staatsbediensteten Paula Corbin Jones verklagt. Daß sexuelle Belästigung insbesondere am Arbeitsplatz auch hier ein Brennpunkt ist, belegen Umfragen, in denen 3 von 4 deutschen Frauen angaben, mit sexueller Belästigung konfrontiert worden zu sein. Der Gesetzgeber tut sich dabei schwer, den Tatbestand einzugrenzen. Der § 2 Absatz 2, der sexuelle Belästigung regelt, spricht von „unerwünschtem Verhalten, das von den Betroffenen erkennbar abgelehnt wird“. Doch wie sieht ein erkennbares Ablehnen aus? Und was ist unerwünscht? Fragen, die auch die Verfilmung von Oleanna aufwirft.
Kaum verwunderlich ist, daß bei soviel Diskussionsstoff die Inszenierung sträflich vernachlässigt wurde. Bis auf einige Nahaufnahmen verwendet der Regisseur Mamet, mit allzu viel Respekt vor seinem eigenen Stück, kaum filmische Mittel. Oleanna - der Film, bleibt deshalb eine bieder abgefilmte Theaterinszenierung.
Volker Marquardt
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