Tote Titten aus Gefallsucht

■ In Fun von Rafal Zielinski machen sich Bonnie und Hilary einen zweifelhaften „Mordsspaß“

Weil Regisseur Rafal Zielinski weiß, daß das, was passiert ist, passiert ist, und sich ein Mord durch Betroffenheit nicht rückgängig machen läßt, fließt bei ihm erst das Blut und beginnt dann der Film.

In der Jugendhaftanstalt versucht man die Tat zu rekonstruieren. Bonnie (Alicia Vitt) und Hilary (Renée Humphrey), zwei durchschnittliche Highschool-Teens, wehren sich vehement gegen das „Bibelgesülze“ der Erwachsenen und beharren darauf, die alte Mrs. Farmer (Ania Suli) „aus Spaß“ umgebracht zu haben. Jeweils in getrennten Gesprächen werden sie von der Gefängnispsychologin Jane (Leslie Hope) und dem Reporter John (William R. Moses) aufgefordert, ihre Argumentation zu fundieren. Doch es steht für sie fest, daß sie der Tochter der Ermordeten einen Gefallen taten, da diese „die toten Titten nun nicht mehr zum Bingospielen fahren muß“.

Den Mädchen fällt es schwer, ihre vor Angriffen schützende Hülle der kollektiven Stilisierung abzustreifen. Nur allmählich gesteht sich die intellektuelle Hilary ein, daß der Mord doch mehr als angenommen, doch mehr als ein gemeinsamer Rausch war, in dem sie sich Bonnie näher fühlen konnte.

Dabei lassen die schwarzweißen Dokumentarszenen im Gefängnis den Charakteren genug Zeit, sich dem Zuschauer genauer vorzustellen. Mit einem Interviewmosaik, das die Individualität aller Beteiligten unterstreicht, wendet sich der Film gegen einfache Erklärungsmodelle. Und dabei betont er, daß jede Straftat sowie jede Auslegung dieser Straftat ihre eigene Geschichte haben. Das individuelle Moment zerstört die vermeintlichen Gegensätze zwischen den Berufen der beiden Erwachsenen sowie zwischen den Wesen der Jugendlichen (Intellektuelle versus Exzentrikerin).

Alle stehen jedoch gleichermaßen vor dem Problem, wie man eine solche Tat begreifen kann. Eine Antwort dazu gibt uns John, der nicht nur als Reporter, sondern eben auch als Mensch „die Lücken der realen Tat mit Fiktion füllt“, um eine in sich kohärente Geschichte zu schreiben.

Unterbrochen wird Fun fortwährend durch die Frage, wie man den Mord retrospektiv als Drama konstruieren kann, durch die bunten Rückblenden zurück zum Tatgeschehen. In ihnen wird die MTV-Schnittfolge derart komprimiert, daß dem Zuschauer nichts übrig bleibt, als die Jugendlichen auf ihrem Selbstinszenierungstrip anstandslos zu begleiten. Während er in den Gefängniszellen – political correct – ein guter Bürger ist, stößt er in den Rückblenden auf sein böses Ich, auf die Perversionen und auf das Begehren, selbst auch einmal die Wirklichkeit qua Selbstinszenierung zu löschen.

Isa Ostertag