„Ein gelernter Sauhund“

■ Felix Magath kehrt heute als Coach  des 1. FC Nürnberg nach Hamburg zurück – ans Millerntor

Zu Beginn der jüngsten HSV-Krise wurde Felix Magath gefragt. Nicht um Rat, seine Meinung zählte. Was er seiner Ex-Mannschaft im Abstiegskampf wünsche, wollte ein NDR-Reporter vom Nürnberger Trainer wissen. Magath reagierte irritiert auf das Anliegen. „Ausgerechnet ich“, murmelte der 44jährige und blieb auch später eine Antwort schuldig.

Vielleicht wollte sich der gebürtige Aschaffenburger nicht mit den Kalamitäten eines angeschlagenen Traditionsvereins herumplagen, nun, da er doch gerade mit den Franken wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt ist. Vielleicht ging Magath die Frage auch einfach zu weit. Womöglich zu nah? „Ich werde immer HSVer bleiben“, offenbarte jüngst der Mann, den Uwe Seeler & Co wegen „fehlender Perspektive“zu Pfingsten vorigen Jahres vor die Tür gesetzt hatten. „Ich trage Trauer in mir, weil der HSV in einer solch schweren Lage ist.“

Auf fast 500 Einsätze für die Hamburger brachte es Magath. Beim HSV erntete er sportlichen Ruhm, hier erlebte er aber auch, wie es ist, fallengelassen zu werden. Dies gleich zweimal: erst als Manager, dann als Trainer.

Nach seinem letzten Rauswurf haderte ein „tief enttäuschter“Magath: „Ich bin einer der wenigen, die sich mit dem Verein voll identifizieren, aber diese Leute werden auch noch an den Pranger gestellt.“Der entthronte „König von Ochsenzoll“(Bild) fühlt sich überhaupt häufig ungerecht behandelt. Nicht nur, als ihm sein ehemaliger Arbeitgeber „ohne Ankündigung“sein Diensthandy sperrte. „Für einen Spieler mit den Erfolgen habe ich ein viel zu schlechtes Image“, beklagte sich der Europacup-Sieger und Doppel-Vize-Weltmeister erst kürzlich wieder.

Dabei hat der „zurückhaltende Mensch, der nichts für die Galerie macht“, so die Eigencharakterisierung, mittlerweile kapiert, wie es heutzutage läuft: „Gute Ideen reichen nicht, man muß sie auch verkaufen können.“Allein: Trotz eigenem Imageberater, Designerbrille und feinem Zwirn läßt der Absatz zu wünschen übrig. Das könnte am etwas einseitigen Angebot liegen und auch daran, daß vieles noch immer aufgesetzt wirkt. Das Bemühen des passionierten Extremsportlers, es allen zeigen zu wollen, ist stets zu merken. Felix-Wolfgang Magath wirkt immer angespannt.

Gerne verkündet der „gelernte Sauhund“, so Magath über sich, Erkenntnisse wie diese: „Eine Mannschaft kann man nur autoritär führen, mit Gesprächen ist bei Spielern nicht viel zu erreichen.“Oder: „Qualität kommt von Qual.“Über allem aber: „Ich mußte früher wesentlich härter ran.“Die gebündelten Weisheiten würden leicht für einen Jahreskalender reichen. Tag für Tag einen Sinnspruch – da ist Abnutzung vorbestimmt.

Das weiß auch Magath. Aus eigener Erfahrung. In seinem zweiten Trainerjahr beim HSV, nachdem er zuvor die Mannschaft von einem Abstiegsplatz in den Europapokal geführt hatte, machten die kickenden HSV-Angestellten am Ende, was sie wollten. Der bekennende Happel- und Zebec-Jünger konnte in aller Herrgottsfrühe exerzieren oder Strafarbeiten schreiben lassen – der Effekt war gleich null. Kaum einer hörte mehr zu.

In Nürnberg, wo sie den Magier Magath wiederentdeckt haben und die siegesduseligen Club-Anhänger ihn als „den besten Mann der Welt“preisen, lauschen die Spieler noch in respektvoller Andacht. „Aber mit dem Erfolg werden sie bequemer und folgen nicht mehr so. Sie wollen sich nicht mehr unterordnen.“Deshalb stehe auch dem FCN der „entscheidende Test“noch bevor, spätestens nach dem Aufstieg in die erste Liga. Wie Magath wohl reagiert, wenn seine Schützlinge aufbegehren? Eine Woche vor dem Rauswurf beim HSV bilanzierte er: „Meine Methoden können nicht vorher richtig gewesen und jetzt falsch sein.“

Solche Ansichten trugen ihm den Ruf eines eitlen Egozentrikers ein. Seine ausgeprägte Neigung, ganz bewußt Distanz zu Spielern und auch Fans aufzubauen und niemanden an sich ranzulassen, verstärkt diesen Eindruck. Das Hamburger Abendblatt diagnostizierte beim ehemaligen Spielmacher, der in seiner Traumelf eine „tragende Rolle“für sich vorsieht, sogar „eine Neigung zur Selbstgerechtigkeit“. Zur Analyse paßt, wie sich der Teilhaber einer Vermögensberatungsfirma sein Fiasko beim HSV erklärt: „Ich hatte kaum Rückendeckung durch den Vorstand.“Und: „Die Spieler werden immer mächtiger.“Soll heißen: Ihn traf keine Schuld, es waren die Verhältnisse.

Die Machtfrage in der Noris ist derzeit geklärt. Mit Michael A. Roth habe er einen „starken und entscheidungsfähigen Präsidenten“. Nur ihm sei er verantwortlich. Einmal pro Woche gehen sie gemeinsam essen. Mit dem Teppich-millionär verbindet Magath mehr als nur das Interesse an regelmäßigen Mahlzeiten. Da ist endlich einer, der ihn zu verstehen scheint. Denn Roth kommt Magaths Motto bekannt vor: „Wer die gleichen Ziele hat wie ich, der hat es leicht mit mir.“ Clemens Gerlach

FC St. Pauli – 1. FC Nürnberg, heute, 19.00 Uhr, Millerntor