Professoren droht Forschungsverbot

■ An der Hochschule Bremen wird mit dem Geld der Bertelsmann-Stiftung die Zukunft vorgedacht / Dabei werden Grundfesten des bestehenden Systems angegangen / Kritiker sehen Reaktionäre am Werk

An der Hochschule Bremen tobt ein Kulturkampf. Es geht um nichts geringeres als die Grundfesten des deutschen Hochschulsystems. Soll künftig ein starker Rektor die Hochschule wie ein Unternehmen führen? Sollen Professoren weiterhin in eigener Verantwortung forschen dürfen? Wie demokratisch soll die Hochschule organisiert sein? Bleibt die Einheit von Forschung und Lehre bestehen?

Forum der Auseinandersetzung, die nach Angaben von Beteiligten bisweilen sehr lautstark geführt wird, ist eine Arbeitsgruppe, die ein neues Leitbild der Hochschule Bremen entwerfen soll. Die Gruppe ist Teil eines großangelegten Projekts namens KIS (Kommunikation, Identifikation, Strategiebildung).

Rektor Ronald Mönch hat sich hochkarätige Unterstützung ins Haus geholt, um die künftige Hochschule zu entwerfen. Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) aus Gütersloh, eine von der Bertelsmann-Stiftung bezahlte Denkfabrik, schickt seinen zweiten Mann Klaus Neuvians nach Bremen. Die Vorschläge des CHE würden die Hochschule umkrempeln – und Bremen zum bundesweiten Modellfall machen.

Ein Hochschulrat aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wird als zusätzliche Leitungsinstanz einer staatsfernen Institution eingeführt. Die autonome Hochschule verwaltet ihr Budget eigenständig und macht mit ihren Mitarbeitern eigene Tarifverträge. Die Position des Rektors wollen die Gütersloher stärken. Alle Entscheidungsträger sollen „doppelt legitimiert“sein, ein vom Fachbereich gewählter Sprecher müßte also auch vom Rektor akzeptiert werden. Der Rektor soll mit den Fachbereichen Verträge über Ziele abschließen. Da könnte etwa vereinbart werden, einen neuen Studiengang einzurichten. Im Gegenzug garantiert der Rektor Geld und Personal.

Nach den Vorstellungen des CHE soll nicht mehr jeder Professor forschen. „Die Einheit von Forschung und Lehre (darf) nicht mehr – wie bisher – in erster Linie als individuelles Recht verstanden werden“, heißt es in einem CHE-Papier. „Vielmehr ist sie ein korporatives Merkmal, das auf Hochschulebene verwirklicht wird.“Die Gütersloher wollen die Forschung von der Lehre abkoppeln und „voneinander verschiedene Organisationseinheiten“schaffen.

Kritiker wie der Sprecher des Fachbereichs 1 („Allgemeine Wissenschaft“), Gerd Syben, sehen durch diese Pläne die hochschulinterne Demokratie und die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr. In einer harschen Polemik wirft der Professor Neuvians und dem CHE vor, „reaktionär“zu sein und eine „peinliche Schlicht-Argumentation“zu fahren. Ein Hochschulrat sei keinerlei demokratischer Kontrolle unterworfen. Zudem sei es heute bereits möglich, faule Professoren mit den Mitteln des Dienstrechts zu disziplinieren, ohne gleich vielen das Forschen zu verbieten. Mit dem „Wortungetüm einer korporativen Autonomie“werde in Wahrheit „der Schutz der Hochschule vor der Freiheit der einzelnen“verankert, wettert der Soziologe. Wenn künftig ein Rektor und ein Hochschulrat entscheiden dürfen, was wielange und von wem geforscht werden soll, sei das „die Usurpation des Wahrheitsmonopols durch eine Institution“. Syben fordert eine „Grundordnung“der Hochschule, die Rechte und Pflichten der Hochschulangehörigen festschreibt.

Ob die Neuorganisation durchgesetzt wird, hängt vom neuen Bremischen Hochschulgesetz ab (siehe Kasten). Zunächst sollen die Ergebnisse der Leitbild-AG bei einem Hochschultag im Juni öffentlich gemacht werden. „Es wird aber keinen Konsens geben“, kündigt Syben an. Joachim Fahrun