■ Grüne bringen Koalition in Zugzwang
: Parteien-Gerangel um Bremer Hochschulgesetz

1968 war es, und der Grüne Hermann Kuhn gerade zum Hochschulreferenten des AStA in Kiel gekürt. Kuhn brütete über einer Neufassung des Schleswig-Holsteinischen Hochschulgesetzes – da überschlugen sich in Berlin die Ereignisse. Nach Dutschke-Trauer und Springer-Blockaden war nichts mehr so wie vorher. Auf einmal empfand er seine theoretische Gesetzesfrickelei als „reformistischen Quatsch“– die Revolution mußte her.

Fast genau 30 Jahre sind vergangen, Kuhn inzwischen wissenschaftspolitischer Sprecher der Grünen in Bremen. Und wieder brütete er in der Osterzeit über der Reform eines Landes-Hochschulgesetzes, diesmal in Bremen. Eine Gesetzesänderung in Bremen steht an, da das übergeordnete Bundes-„Hochschul-Rahmen-Gesetz“(HRG) ebenfalls dieser Tage reformiert wird. Die Länder müssen ihre Regelungen anpassen. Die Grünen in Bremen wollen die Gelegenheit für eine grundlegende Reform des Bremischen Hochschulgesetzes (BreHG) nutzen, denn, so Kuhn, von der Koalition werde das Gesetz bislang „wie ein toter Hund“behandelt.

Der jetzt vorgelegte Entwurf ist wohl von mehr Realpolitik inspiriert als Kuhns studentisch beseelte Novelle. Leiten ließen sich die Grünen bei ihren Vorschlägen von den Ideen des Hochschul-Reformers Michael Daxner, der im benachbarten Oldenburg das wissenschaftspolitische Programm für die Bundes-Grünen ausbrütete. Weiteres Vorbild: Das Berliner Modell. Dort ist ein Gremium zwischen Universität und Politik geschaltet.

Ein ähnliches Gremium, das die Geschicke der verschiedenen Bremer Hochschulen entscheidend leiten soll, wünschen sich die Grünen nun auch in Bremen. Elf honorige Menschen sollen vom Senat und der Bürgerschaft wahlweise für ein Kuratorium (auch Hochschulrat genannt) benannt werden. Auch die akademische Selbstverwaltung soll gegenüber dem Staat gestärkt werden, um den Hochschulen mehr Flexibilität in Finanz- und Studiengangsfragen zu ermöglichen. „Diese radikale Entstaatlichung“, so Kuhn, sei aber „nicht mit einer Privatisierung der Hochschulen gleichzusetzen“.

Weitere Änderungswünsche: Die Vertretung der Studierenden soll sich zu politischen Themen äußern dürfen, die Beschränkung auf nur hochschulpolitische Themen soll aufgehoben werden. Auch die heilige Kuh der lebenslangen Verbeamtung der Professoren wird angetastet: Die Profs sollen verstärkt auf Zeit eingestellt werden. Privaten Hochschulen wollen die Grünen in Bremen nicht im Weg stehen.

Mit ihrem Entwurf bringen die Grünen die Bremer Koalition in Zugzwang. Denn auch bei CDU und SPD wird seit geraumer Zeit nachgedacht, wie das zukünftige BreHG aussehen könnte. Sehr weit gekommen sind sie bei ihren Überlegungen bislang nicht – es gab Krach. Denn schon im Dezember hatte die CDU Eckpunkte für ein zukünftiges BreHG in die Runde geworfen. Doch in entscheidenden Punkten wollte die SPD nicht mitziehen. Die geplanten Studiengebühren bei zu langem Studium wären mit ihnen nicht zu machen gewesen, berichtet die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD, Gerlinde Berk. Auch eine AStA-Beschneidung und Prof-Aufwertung war der SPD ein Dorn im Auge. „Mit den Grünen sind wir da konsensfähiger“, sagt dazu Berk.

Doch auch ihre christdemokratische Kollegin Elisabeth Motschmann will nicht ab von ihrem Kurs. „Es muß ein Entgegenkommen geben“, so Motschmann. Die Folge: Windstille in der Koalition. Dabei, das bestreitet niemand, sind die noch vagen Positionen der zwei großen Parteien gar nicht weit auseinander. Der Trend ist klar, und auch die Grünen sperren sich nicht dagegen: Bei der Verbesserung der Hochschulen setzen die Politiker vor allem auf eines: klarere, entschlackte Hierarchien innerhalb der Wissenschaft.

Christoph Dowe