Nackt hinter Gardinen?

■ Karen Koltermann und SAM zur Entwicklung der Cheap-Art und ihrem neuen Ausstellungsraum in der Karolinenstraße

Ihre Schätze zeigen Karen Koltermann, SAM und 4000, die drei Betreiber des Ausstellungsraums Karolinenstr. 12: eine handgefertigte Ikone eines 14-jährigen Homosexuellen, die restaurierte Zeichnung eines geistig Verwirrten, der nicht damit klar kam, daß sein Essen im Restaurant nicht sofort kam, oder der Tommi-Ohrner-Teller eines stadtbekannten Pädophilen, der mittlerweile tot ist. Solch merkwürdige Ankündigung veranlaßte zur Nachfrage. Hajo Schiff sprach mit Karen Koltermann (KK) und SAM.

Sind diese seltsamen Dinge eine Kunst-Fälschung von euch?

SAM: Wir betätigen uns als Jäger und Sammler. Da ist diese Zeichnung, die zerrissen im Aschenbecher lag. Wir haben wohl drei Stunden gebraucht, sie wieder zusammenzusetzen. Oder das Bild vom Schnellzug aus der Sehbehindertenschule . . .

KK: Wir zeigen so was jetzt zum ersten Mal, aber wir wollten das immer schon mal machen. Es sind so tolle Sachen. Und es schärft den künstlerischen Blick, wenn es auf der weißen Wand hängt.

Der Blick im veränderten Kontext, das ist ja seit Duchamp ein Prinzip der modernen Kunst. Ward ihr auf der Kunsthochschule?

KK: Nur ich habe hier am Lerchenfeld „Visuelle Kommunikation“ studiert. Aber eigentlich ist das gar nicht wichtig. Ich bin in die HfbK gekommen und habe mich gleich krank gefühlt, tödliche Kälte. Die meisten trauen sich gar nicht mehr, etwas einfach zu machen, alles muß theoretisch rückversichert werden. Da gab „Cheap-Art“ (Im „Art Store“ in der Wohlwillstraße verkauften sie und andere Bilder zu Preisen für jedermann) erst mal eine Chance. Das Verramschen war gleichsam eine Entschuldigung dafür, daß man beim Herstellen Spaß hatte.

SAM: Da sind in den fünf Jahren wohl 1000 Bilder weggegangen.

KK: Wir wollen mit dem „Cheap-Art-Ding“ jetzt auch gar nicht mehr so viel zu tun haben. Die Arbeiten werden mit der Zeit ja auch wertvoller. Jeder, der sich jahrelang mit Kunst befaßt, wird teurer. Ein Meister verdient auch mehr als ein Lehrling.

Kommt ihr mit eurem neuen Laden in die Rolle von Galeristen?

KK: Den Laden hier gibt es seit letzten Oktober, seitdem haben wir so fünfzehn Ausstellungen gemacht. Im September stellt ein Künstlerpaar aus der Schweiz aus, im Januar nächsten Jahres Max Goldt, dann der Fotograf Alfred Steffen. Aber wir sehen uns dennoch nicht als Galeristen. Es handelt sich mehr um Leute aus dem Feundeskreis.

SAM: Im Keller arbeiten wir und hier oben hängen wir die Sachen auf oder zeigen Filme. Wir könnten auch nackt hinter Gardinen tanzen: Wichtig ist, einen eigenen Raum zu haben, wo man machen kann, was man will.

Habt ihr ein eigenes Motto?

SAM: Nicht alles, was nicht aussieht wie Kunst, muß nicht unbedingt nicht Kunst sein!

KK: Im übrigen sind wir drei verschiedene Künstler und brauchen kein gemeinsames Motto.

Nächster Ausstellungstermin in der Karolinenstr. 12: nur morgen 4. August, 20 Uhr