„Wo das Blut spritzen soll“

■ Finanzsenator Runde läßt zur Ader: Werden jetzt die HEW verkauft? / Jahressteuergesetz kostet Hamburg 130 Millionen Mark Von Silke Mertins

Ein Wochenende lang stand Finanzsenator Ortwin Runde unter Schock: Die Nachricht, daß das Jahressteuergesetz Hamburg 130 Millionen Mark extra kosten wird, erfuhr er am Freitag, und „der Schreck“, so gestand er gestern, „vergrößerte sich bis zum Montag.“ Denn: Woher soll der Sparsenator, der nur 200 Millionen Mark für die Kosten des Jahressteuergesetzes im Haushalt –96 eingeplant hat, jetzt 330 Millionen nehmen?

Der Kompromiß zwischen der Bundesregierung und der Mehrheit der SPD-regierten Länder im Bundesrat würde Hamburgs „strikte Konsolidierungsbemühungen“ zunichte machen, so Runde. Kindergeld zu erhöhen und das Existenzminimum von einer Besteuerung freizustellen ohne eine solide Gegenfinanzierung „verengt den politischen Handlungsspielraum für Länder und Kommunen unendlich“, warnt Hamburgs Schatzmeister. Die finanzielle Rettung der Kommunen sei „dem Populismus geopfert“ worden.

Sauer ist Runde auch auf die anderen SPD-Länder, die den Kompromiß im Vermittlungsausschuß mitgetragen haben. Selbst Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder – der noch vorige Woche in der Steuerfrage gemeinsam mit Hamburgs Bürgermeister Voscherau auf den schwächelnden SPD-Chef Scharping eindrosch – machte einen Rückzieher.

Die Folgen auf lokaler Ebene sind für den Finanzsenator klar: Absenkung von Standards in den Kindertagesstätten, bei der Jugendarbeit und Altenpflege sowie anderen kommunalen Leistungen. Auch in der Hansestadt. Es werde noch „Heulen und Zähneklappern“ beim Supersparprogramm 1996 geben. Die Frage, „wo das Blut spritzen soll“, muß der Senat in erneuten Haushaltsberatungen bis Ende August entscheiden. Auch einen Verkauf der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) schloß Runde nicht aus. Retten wird das die Stadt aber nur kurzfristig, langfristig wird sich das Loch durch Steuermindereinnahmen in den kommenden Jahren weiter vergrößern.

Die Hamburger CDU hält indes zur großen Bundesschwester. Die Hanse-SPD sei selbst schuld, teilte der finanzpolitische Sprecher Ralf Mairose aus seinem Tirol-Urlaub der taz mit. „Hätte Hamburg nicht solange Solidarität mit Scharping geübt, wäre es nicht soweit gekommen.“ Beim ursprünglichen Wai-gel-Entwurf, den die SPD-Länder gekippt hätten, wäre man wie geplant in Hamburg mit 200 Millionen Mehrkosten ausgekommen.

Wenigstens die GAL gibt Chefsparer Runde recht; das erhöhte Kindergeld und die Sicherung des Existenzminimums hätten gegenfinanziert werden müssen. Doch hätte der Senat schon rechtzeitig Einnahmesteigerungen erreichen können: „Durch die Anhebung der Gewerbsetuer um mindestens 30 Punkte und einen entschlossenen Schritt bei den nach wie vor spottbilligen Hafenmieten.“