Gutes kommt wieder

■ Ab heute tritt Hudson Shad im Schmidt-Theater auf / Vorher war die A-capella-Truppe in Berlin / Unsere Autorin auch

Hudson Shad heißt eine Fischart, die lange Zeit vom Aussterben bedroht war. Das gleichnamige New Yorker Piano-Vokal-Sextett will seltene Musikstücke der Vergessenheit entreißen. In den USA sind sie die einzigen, die die Lieder der Comedian Harmonists aufführen. Aber Auslandstourneen haben ihre Tücken: Beim Grenzübertritt verwandeln sich Raritäten urplötzlich in Evergreens. Die „Comedian Harmonies“ sind in Deutschland eben viel bekannter als in den Staaten, manchem mögen sie auch abgenudelt erscheinen. Und doch machen die Schönheit der Stimmen und die musikalische Präzision die nostalgische Show einzigartig. Hudson Shad entzündet ein Feuerwerk aus Dauerbrennern.

Wie ihre Vorbilder imitieren Wilbur Pauley, Mark Bleeke, William Douglas Vannice, Peterer Becker und Hugo Munday perfekt alle nur denkbaren Instrumente: das Tröten der Jazztrompete, das Röhren der Posaune, das Näseln des Saxophons. Einige Stücke sind rein instrumental: „Creole Love Call“ nach Duke Ellington zum Beispiel und die Ouvertüre zum „Barbier von Sevilla“, bei der die Musiker sogar Flöten und Geigen glaubhaft nachahmen.

Hudson Shad hat 22 Original-Arrangements der Comedian Harmonists einstudiert. Im letzten Jahr produzierte die Gruppe ein Musical über den Werdegang des legendären Ensembles, das sich vor 60 Jahren unter dem Druck der Nazis aufgelöst hatte. Die Intensität, mit der sich die sechs Musiker in die Harmonists eingelebt haben, beschreibt der Pianist Robert Wolinsky geradezu schwärmerisch: „Wir wohnen gewissermaßen in ihren Seelen.“

Was gut ist, kommt wieder. Gitarren spielen auf, der unverwüstliche grüne Kaktus fällt vom Balkon, und im Lenz singen die Mädchen tralala. Die englische Version der Songs liefern die Musiker gleich mit. Außerdem stehen eine Reihe von Liedern der amerikanischen Gruppen The Revellers und The Mills Brothers auf dem Programm, nach deren Vorbild sich die Comedian Harmonists 1927 gründeten. Die Zuhörer baden in Wohllaut und in Schweiß. Alte Damen, die die Lieder ihrer Jugend noch einmal hören wollen, kämpften in Berlin, wo Hudson Shad in einem engen Zelt auftrat, tapfer gegen den Hitzetod. Die Sänger versuchten mit rührender Anmut, die Bewegung des Stirnabwischens harmonisch in die Choreographie zu integrieren. Die befrackten Herren schmachten, tänzeln graziös und werfen zarte Blüten ins Publikum. Am Ende ist zum Glück niemand kollabiert, und die Zuhörer wenden ihre ganze verbliebene Kraft an einen wahrhaft tosenden, mark- und zelterschütternden Beifall.

Miriam Hoffmeyer

Schmidt, bis 6. August