Wer ist eigentlich der Herr Hovhaness?

■ Trompetentage: Die Musiker Edward Carroll und David Hickman erbliesen sich den Kleinen Glockensaal

Seltsame Namen schmückten das Konzertprogramm der amerikanischen Trompeter David Hickman und Edward Carroll, irgendwie passend zum nicht ganz gewöhnlichen Instrument. Alan Hovhaness, Johann Neruda, Johann Hertel ... ? Auch die Musiker der Kammer Sinfonie Bremen können diese Namen geographisch und zeitlich nicht sicher einordnen. 60er Jahre, tippt der Konzertmeister bei Alan Hovhaness.

Das kann gut sein. Schließlich hören sich die sakral-schlurfenden Stücke des ominösen Komponisten so an, als würde ein Marsmensch Bezug nehmen auf einen Avantgardeverächter der Vorkriegszeit, der Bezug nimmt auf eine nicht mehr zerrissene Nachromantik, die wiederum Bezug nimmt auf barocke Formstrenge. Simple Rudimentärpolyphonie inklusive Fuge, nordischer Nationalton und pathosangereicherte Volksliedsentimentalität mischen sich jedenfalls ganz liebenswert.

Nur hin und wieder tut eine gebändigte Dissonanz kund, daß der Komponist im 20 Jahrhundert angekommen ist.

„Die Komponisten sind hier gar nicht so wichtig. Es geht hier um das Instrument“, erklärt der nette, komplett schuldlose Konzertmeister die Schludrigkeit des Programmzettels. Erst vor wenigen Tagen bekam das Kammerensemble die Noten, „in miserablem Zustand – schlecht zu lesen“.

Daß man es nicht mit einem ausgefeilten Konzert zu tun hat, belegten auch ein paar Fehltöne hier oder eine kleine Tempokorrektur da. Hoppla, vielleicht sollte ich das Largo von Neruda doch ein bißchen langsamer nehmen, schien sich Hickman mitten im Satz gedacht zu haben.

Trotzdem war's interessant: Das Abwechlungsprinzip eines Telemannstücks wurde gleich auf das ganze Konzert übertragen. Stücke vom Marsmenschen wechseln wunderbar querständig mit Solo-stücken vom (hier gar nicht so) radikalen Neutöner Giacinto Scelsi. Letztere spielen virtuos mit unserem antrainierten tonalen Empfinden. Wohl plazierte Terzen, Quarten, Oktaven verführen zum Hinzufantasieren von süffigen Harmonien. Mal hört man sogar Verdi, schämt sich – bis zum vierteltönigen Einspruch.

Musizieren Hickman und Carroll zusammen Barockes, fesselt bei imitatorischen und parallellaufenden Stellen die Unterschiedlichkeit der Musiker. Feinziselierte Gespanntheit versus Geradlinigkeit. Carroll: Mit großen Lautstärkeschattierungen ein Meister der Terrassendynamik.

Das Zwerchfell hüpft, der Atem schnappt, das Crescendo atmet – ein Schritt zurück, zwei Schritte weiter – der Takt swingt. Hickman: ein glückseliger Phlegmatiker. Auch nach mörderisch langen Phrasen wird unauffällig, streßlos Luft getankt, Crescendo entwickelt sich geduldig, zäh, konsequent.

Eigentlich müßte es langweilig werden. Tut es aber nicht. Denn Hickman hat einen hinreißend schönen Ton. Wie es einer Arbeitstagung gebührt, sind die Menschen inspiriert, liebevoll und bereit, den beiden Herren auf der Bühne die Verehrung zu erweisen: Jubel. bk