Rühes starke Truppe marschiert gegen Wind

■ Die Bundeswehr droht zwei Betreiber von Windkraftanlagen in den Konkurs zu stürzen. Angeblich stört die elektromagnetische Strahlung der 3,8-Millionen-Mark-Konverter den deutschen Radarblick. Ende

Das Schweigen ist bedrückend. Längst sind Vokabeln wie ,Irrsinn‘ oder ,Schikane‘ mehrmals gefallen. Lothar Vössing und sein Schwager Josef Wolf schauen mehrmals Richtung Wand. Dort hängen Fotos ihrer beiden Windkraftanlagen. Aus diesen Photographien können in den nächsten Wochen leicht Erinnerungsstücke werden: Die Bundeswehr drängt darauf, die Windkonverter auf den „Borgentreicher Höhen“ im ostwestfälischen Kreis Höxter abzubauen. Die 60 Meter hohen Masten, so die Begründung der Militärs, stören den Betrieb der nahen Radaranlage Auenhausen. Seit Ende September vergangenen Jahres müßten die beiden ostwestfälischen Windmüller ihre Maschinen schon demontiert haben, nachdem das Verwaltungsgericht Minden der Auffassung der Bundeswehr gefolgt war. „Der Kran kann jeden Tag anrollen“, sagt Lothar Vössing verbittert.

Anfang der 90er Jahre hatten die beiden Ostwestfalen ihr Windprojekt angepackt. Da auch der Kreis Höxter für die ursprünglich geplanten vier 250-Kilowatt-Anlagen keine Probleme sah, schien die Aufstellung nur eine Frage der Zeit zu sein. Ein Satz aus dieser positiv beschiedenen Bauvoranfrage sollte noch eine wichtige Bedeutung bekommen: „Die Wehrbereichsverwaltung wies mit Stellungnahme vom 9.11.1992 darauf hin, daß aus militärischer Sicht gegen die im Schutzbereich der Verteidigungsanlage Auenhausen geplanten vier Windkraftanlagen keine Bedenken bestehen, bat aber darauf hinzuweisen, daß nicht auszuschließen ist, daß vom militärischen Radargerät ausgehende elektromagnetische Strahlung die Funktion von Elektronikkomponenten der Windkraftanlage stört.“ Ein Jahr später lag die Baugenehmigung im Briefkasten und für die potentiellen Betreiber schienen alle offiziellen Hürden genommen. „Da wir bei unseren Planungen zwischenzeitlich bei der fortgeschrittenen Anlagen-Entwicklung von vier kleineren auf zwei größere Konverter umgestiegen waren, haben wir in unserer Naivität gedacht, daß die Bundeswehr über die Halbierung der Anlagenzahl eigentlich hocherfreut sein müßte“, so Lothar Vössing.

Was die zuständige Wehrbereichsverwaltung III in Düsseldorf zu dem Windkraftprojekt gedacht hat, bleibt ihr militärisches Geheimnis. Denn erst im Herbst 1995 nach Baubeginn der 3,8 Millionen Mark teuren und überwiegend mit öffentlichen Krediten finanzierten Windturbinen, meldete sich ein Heeresangehöriger. „Wir hatten gerade die ersten Turmelemente montiert, und da die Bundeswehr keinen Baustopp verlangte, sind wir mit den Maschinen ans Netz gegangen“, erinnert sich Josef Wolf an die erste eher zufällige Begegnung mit der starken Truppe. Hektik herrschte damals auf dem knapp 320 hohen Messenhausener Feld: Das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium hatte den beiden Investoren einen Zuschuß von 400.000 Mark aus dem Topf für Demonstrationsprojekte für den Fall in Aussicht gestellt, daß die Anlagen noch vor Jahresende in Betrieb gehen. Genau genommen drehte sich das Interesse der Energieabteilung im Düsseldorfer Wirtschaftsressort um eine der beiden Nordex-Anlagen, die es im Gegensatz zu ihrem 800-kW-Zwilling auf eine Leistung von 1.000 Kilowatt bringt. „Das war damals die erste Megawattanlage in Nordrhein-Westfalen“, freuten sich die Betreiber.

Die jedoch hielt nicht lange an. Sechs Tage vor dem Weihnachtsfest 1996 forderte die Bundeswehr die Betreiber zum Abriß der beiden Anlagen auf. Die Begründung: Auch der Wehrbereich III hätte der Änderung der Bauvoranfrage zustimmen müssen. „Genau diese Genehmigung hat der Kreis Höxter damals nicht bei den Militärs eingeholt, da sich der zuständige Sachbearbeiter auf die grundsätzliche Zustimmung der Bundeswehr zu den ursprünglich vier Anlagen verlassen hatte“, beschreibt Lothar Vössing die verzwickte Lage. Außerdem habe die Kreisbehörde bei der Baugenehmigung einen Hinweis des Borgentreicher Rathauses außer acht gelassen, wonach um die Radarstation Auenhausen ein 2.500-Meter-Radius besteht, der nicht bebaut werden darf. Der Abstand der beiden Nordex-Maschinen liegt bei rund 1.700 Metern. Von dieser Bestimmung erfuhren die beiden Betreiber aber erst nach Akteneinsicht, als sie gegen die Abrißandrohung vor dem Verwaltungsgericht in Minden Klage einreichten – vergebens.

Daß das Oberverwaltungsgericht in Münster einen Widerspruch gegen diese Entscheidung nicht zuließ, stößt bei Josef Wolf auf Unverständnis: „Da die Radarstrahlen gerade einmal 380 Kilometer weit nach Polen reichen, das demnächst Mitglied der Nato wird, kann uns niemand erzählen, daß die Landesverteidigung in Gefahr ist.“ Auch beim Bundesverband WindEnergie (BWE) in Osnabrück stößt dieses Urteil auf Unverständnis. BWE-Mitarbeiter Christian Hinsch: „Mittlerweile gibt es eine Untersuchung des schwedischen Verteidigungsministeriums, bei der keine von Windturbinen ausgelösten Betriebsstörungen festgestellt werden konnten.“ Auch Heinz Baues kann die starre Haltung der Bundeswehr nicht verstehen. Der Ministerialrat leitet das Referat „Maßnahmen der rationellen Energienutzung“ im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium: „Wenn von den beiden Türmen, die auf dem Radarschirm zu sehen sind, wirklich eine so immanente Gefahr ausgeht, dann wundere ich mich, daß die Bundeswehr seit fast zweieinhalb Jahren problemlos damit leben kann.“ Auch die Intervention seines Chefs, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, mit einem Schreiben an Bundesverteidigungsminister Volker Rühe den Abriß zu verhindern, blieb erfolglos. Baues: „Falls es wirklich soweit kommt, droht die Verschwendung von Steuermitteln.“ Mitte Januar schien ein Kompromiß schon in Sicht: „Wir hatten bei einem gemeinsamen Treffen den Eindruck gewonnen, daß die Bundeswehr einer Turmkappung von zehn Metern zustimmt“, so Baues. Nicht einmal drei Wochen später flatterte das „Nein“ des Wehrbereichs III auf den Tisch. Ein weiteres Gespräch Anfang März ließ die Bundeswehr platzen. Wohl weil eines ihrer Argumente, daß die Radaranlage Auenhausen auch für die zivile Flugsicherung notwendig sei, als unzureichend eingestuft wurde. Die vom Düsseldorfer Wirtschaftsministerium mit einem Gutachten beauftragte Daimler-Benz- Aerospace schreibt in einer Stellungnahme: „Die Radaranlage Auenhausen wird nach Rücksprache mit der Deutschen Flugsicherung für die Luftüberwachung durch die Zivilluftfahrt nicht benötigt. Eine Entfernung der Windkraftanlagen ist nach fachlicher Beurteilung zur Zeit nicht notwendig.“ Der Abriß ist damit aber noch nicht vom Tisch.

Erst einmal hat der für Ende April angekündigte Besuch des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages in Auenhausen eine aufschiebende Wirkung. Da die Bundeswehr die Schutzbereichszone von 2.500 auf 5.000 Meter ausweiten will, fürchten mehrere potentielle Betreiber um ihre Standorte und wandten sich an das Bonner Beschwerdegremium. Die Paderborner Bundestagsabgeordnete Simone Probst von den Bündnisgrünen begrüßt diese Dienstreise: „Von der Entscheidung in diesem Petitionsverfahren geht auch eine Signalwirkung auf weitere, ähnliche Konflikte aus, die an den Standorten von Radaranlagen der Bundeswehr bekannt wurden.“ Für Lothar Vössing und Josef Wolf wird die Zeit knapp. Den Abbau und Wiederaufbau ihrer Anlagen an einem noch vollkommen offenen Alternativstandort wollen und können sie nicht mittragen, da sich die Kosten auf mehr als anderthalb Millionen Mark belaufen: „Der Abriß ist gleichbedeutend mit einem Konkurs.“ Auch die Aussicht, dem Kreis Höxter in einem Gerichtsverfahren Fehler bei der Genehmigung nachweisen zu können und so die investierten Gelder zurückzubekommen, tröstet die beiden Betreiber wenig. Hilfe kann nur von der Bonner Hardthöhe kommen, deshalb ihr Aufschrei: „Volker – hör die Signale!“ Ralf Köpke