Erst der spannende Krimi

■ ...dann die Moral: Nachdem der „Tatort“ über Kinderprostitution abgedreht war, gründete das Team einen Hilfsverein (ARD, So., 20.15)

Eine fast wahre Geschichte: Der achtjährige March (Tom Taus), ein Filipino, wird von seinen Verwandten an Kinderhändler verkauft, von einer falschen Mutter darauf nach Deutschland verschleppt und hier an Kinderschänder vermietet.

Jetzt wird es spannend und fiktiv: March gelingt die Flucht, er gerät an den mitleidvollen Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt), und dieser jagt seinen Peiniger, fliegt dafür auf die Philippinen. Tatort Manila. Dort stellt Ballauf den Täter. Der, in auswegloser Situation, richtet sich daraufhin selbst.

Seit 1993 erlaubt das deutsche Strafgesetzbuch die Verfolgung deutscher Kinderschänder, die sich im Ausland an ihren Opfern vergriffen haben. Wolfgang Luck, WDR-Reporter, schätzt im Begleitbuch zu „Tatort Manila“ jährlich 5.000 Fälle von Kindesmißbrauch deutscher Sextouristen im Ausland – verurteilt wurden bisher nur vier Männer.

„Tatort Manila“, ein ambitionierter Krimi des Regisseurs und Drehbuchautors Niki Stein, will auf diesen Mißstand aufmerksam machen. Stein hat sich ausführlich auf sein Thema vorbereitet. In Deutschland informierte er sich bei der renommierten Kinderhilfsorganisation Terre des hommes, sprach mit Kriminalbeamten eingehend über die Codesprache der Pädophilen („Frischfleisch“, „Taschengeld“), reiste auf die Philippinen und befragte dort Vertreter von regierungsunabhängigen Organisationen, die sich im Kampf gegen die Kinderprostitution engagieren, ist gar „zwei Tage in das Leben der Straßenkinder eingetaucht und hat sich ihre Geschichten angehört“, so das Presseheft.

Die Drehorte sind teils Originalschauplätze: ein Slum, das philippinische Justizministerium, schmierige Bars und Hotels, und – für die Filmfreunde vor dem Fernseher – der Ort Pagsajan. Hier drehte Francis Ford Coppola einst „Apocalypse Now“. Es gibt ein Sachbuch zum „Tatort Manila“ und eine Filmdokumentation über die Entstehung des ARD-Krimis. Hier sehen wir den Schauspieler Mathieu Carriere in einer Drehpause, er sitzt im Schminkstuhl, wird geföhnt, dann blickt er aus seinem Paperback auf und ist betroffen: „Ich finde es fürchterlich. Mit der Armut so direkt konfrontiert zu werden ist das Schlimmste, was es gibt – vor allem, wenn man selbst nicht so arm ist.“

Und weil das irgendwie schon stimmt, hat das deutsche Drehteam „spontan beschlossen, einen Hilfsverein zu gründen“. Dabei hätte es doch eigentlich nur einen spannenden Krimi produzieren sollen. Stefan Kuzmany