■ Innere Sicherheit: Kanther richtet beim BKA zentrale Gendatei ein
: Effektiv und gefährlich

Ein Mann schafft Fakten: Bundesinnenminister Manfred Kanther gab gestern in Wiesbaden den Startschuß für den Aufbau einer Gen-Datei. Ein neues, ein revolutionären Fahndungsmittel wird damit auf den Weg gebracht – nur offen bleibt, wer die Richtung weist und wohin die Reise letztlich gehen wird.

Kein Zweifel, der genetische Fingerabdruck ist ein äußerst effektives Strafverfolgungsinstrument. Ohne Zweifel ist eine auf dem Gen-Test basierende, bundesweite Fahndungsdatei aber auch ein Instrument, das die Visionen von einem totalitären Orwellschen Überwachungsstaat weckt. Wenn, wie derzeit in Ostfriesland, die Polizei Tausende junger Männer im Rahmen der Rasterfahndung nach dem Mörder eines Mädchens zum vergleichenden Gen-Test antreten läßt, macht sich schon verdächtig, wer die Teilnahme verweigert. Mit der Unschuldsvermutung, die dem Strafgesetzbuch zugrunde liegt, ist das schon schwer vereinbar. Noch schwieriger wird es beim Umgang mit gespeicherten Gen-Test-Ergebnissen. Wer soll wofür und wie lange erfaßt werden? Und aufgrund welcher rechtlichen Regelung? Das „DNA-Fingerprinting“ fußt auf Verfahren der Gen-Technik, auf der Entschlüsselung von Erbinformationen. Damit einher geht die Befürchtung, daß über den Identitätsnachweis hinaus in einer solchen Datei auch ganz bestimmte Persönlichkeitsmerkmale gespeichert werden könnten.

Diese Bedenken, sagen die Fachleute, seien unbegründet: Mit den heutigen Untersuchungstechniken würden nur solche Erbgutabschnitte ausgewählt, die im sogenannten genetisch stummen Bereich der DNA lokalisiert sind und die keine Aussagen über die Eigenschaften einer Person erlauben.

Allerdings macht die Gentechnik sprunghaft Fortschritte – und wäre es nicht doch verführerisch, bei der Erstellung des DNA-Profils eines Einbrechers schnell noch zu prüfen, ob da nicht noch Dispositionen für ganz andere Delikte vorhanden sind? Und wie sieht es mit anderen Interessen aus, etwa denen der Lebensversicherer? Mit Sicherheit hätten diese gerne Zugang zu den Gen-Dateien ihrer Kunden.

Solche Wünsche zu befriedigen, ist gewiß nicht Kanthers Anliegen. Er will die Kriminalitätsbekämpfung effektivieren. Daß der Bundesinnenminister aber eine solche Datei aufbauen läßt, bevor es eine parteiübergreifend vereinbarte gesetzliche Regelung darüber gibt, wird sich doppelt rächen: Kanther muß sich Orwellscher Vision weiter erwehren, und das neue Fahndungsmittel wird schon im Ansatz diskreditiert. Wolfgang Gast