„Was macht ihr Touristen denn hier?“

Hinterhofidyll und Drogen: Ein Stadtrundgang durchs Schanzenviertel  ■ Von Elke Spanner

Ein alter Mann sitzt auf einer Gartenbank vor dem Haus. Seelenruhig feilt er seine Fingernägel. Er braucht lange dafür, denn immer wieder wendet er den Blick ab und blickt über den Platz vor ihm. Dort streiten sich zwei Jungs um ein Fahrrad, drei Mädchen begnügen sich mit einem Ball. Der „Hamburger Hof“strahlt die Ruhe einer Vorortsiedlung aus. Kinder spielen unbeaufsichtigt im Hof – obwohl dieser mitten im Schanzenviertel liegt und damit in einem Stadtteil, der vor Monaten medial zur „no-go-area“ausgerufen wurde. Diesem Bild wollte gestern ein Stadtrundgang des Museums der Arbeit die Realität entgegensetzen.

Vorbei geht es am ehemaligen Montblanc-Gebäude, in dem nun unter anderem die Volkshochschule sitzt, am Gelände der ehemaligen Gewürzfabrik „Laue“, wo intakte Wohngebäude jahrelang leerstanden und nun endlich von SozialmieterInnen und einem Wohnprojekt bezogen werden. Zwischen Schulterblatt und Schanzenstraße reihen sich buntbemalte Häuser um einen kleinen kopfsteingepflasterten Hof. Überrascht mustert ein Mittvierziger die bunten Graffiti an den Fassaden des Wohnprojektes, als plötzlich ein Radfahrer mitten in die rund 50köpfige Besucherrunde prescht. „Was macht Ihr Touristen hier?“fragt er genervt. „Wißt Ihr eigentlich, wie schwer wir dafür gekämpft haben?“

Die meisten TeilnehmerInnen wissen es nicht. Sie kommen aus anderen Stadtteilen. Dazu befragt, was ihnen zum Stichwort „Schanzenviertel“einfällt, fallen so klassische Begriffe wie „Drogen“oder „Kriminalität“. Und dennoch fühlen sie sich nicht durch die Berichterstattung angelockt.

„Wir sind doch nicht hier, weil wir uns nur im Schutz einer Gruppe herwagen“, lacht Brigitte S. und hakt ihre Freundin unter. Beide wohnen in Eppendorf, kommen öfter zum Einkaufen her. „Die Drogenszene habe ich beobachtet“, so Brigitte S., „aber belästigt wurde ich noch nie.“Auch Diana, die seit über einem Jahr im Schanzenviertel wohnt, ist nicht über ihren Stadtteil erschüttert, sondern über das Bild, das außerhalb des Viertels vorherrscht. „Auf keinen Fall will ich woanders wohnen.“

Auf dem Spielplatz zwischen Susannenstraße und Schulterblatt durchbricht Robert Strötgen vom Museum der Arbeit vorsichtig das Bild von ausgelassen spielenden Kindern und Eltern, die auf Bänken sitzen. „Es gibt dieses Drogenproblem hier im Viertel“, sagt er. Die Initiative, die den Spielplatz errichtete, habe darum gebeten, auf dem Spielplatz nicht mit Spritzen zu hantieren oder zu dealen. „Das klappt weitgehend“, so Strötgen, „aber öfters müssen Dealer und Junkies über den Spielplatz flüchten, wenn in der Susannenstraße Polizei langläuft.“

Und das ist pausenlos der Fall. Ob auf dem Schulterblatt, in den Hinterhöfen, vor oder hinter dem Stadtteilzentrum „Rote Flora“– Polizisten prägen das Straßenbild an diesem Sonntag ebenso wie kleine Grüppchen von Leuten, die mit einer Eistüte in der einen und der Winterjacke in der anderen Hand die Sonne genießen.

Weitere Stadtspaziergänge des Museums der Arbeit finden am 26. April und am 3. Mai in St. Pauli statt. Infos unter