„Erfolg ist, wenn man uns nicht mehr braucht“

■ Theodor-Heuss-Auszeichnungen verschaffen auch unbekannten Basisinitiativen Öffentlichkeit

Berlin/Stuttgart (taz) – „Was bringt Ihnen der Preis?“ fragt der Reporter die Preisträger. „Er macht Arbeit“, sagt Stefanie Schiffer. „Und er kostet Geld“, ergänzt Rudi Piwko und grinst. Die beiden arbeiten für den Deutsch-Russischen Austausch (DRA), einen Verein ehemaliger Slawistikstudenten, der in Rußland lokale Bürgerinitiativen unterstützt. In Stuttgart erhielt der DRA am vergangen Samstag die mit 5.000 Mark dotierte Theodor-Heuss-Medaille 1998. „Der Preis verleiht eine gewisse Seriösität. Wir schauen schon, daß wir das ausnutzen“, erklärt Schiffer. Die Werbetrommel zu rühren, kostet eben Geld und macht zusätzliche Arbeit.

Seit 1992 berät der DRA in mittlerweile vier russischen Städten Frauen-, Obdachlosen- und Ökogruppen, dennoch ist die Organisation mit Sitz in Berlin kaum bekannt. Paradoxerweise verhalf dem DRA nicht zuletzt dieser geringe Bekanntheitsgrad in den Kreis der drei diesjährigen Medaillenträger zu gelangen.

Die anderen Auszeichnungen gingen an das „Europäische Forum für Freiheit im Bildungswesen“, das sich vorrangig für Schulreformen in Osteuropa einsetzt, sowie an den Gründer der Anti- Korruptions-Organisation „Transparency International“. Hinrich Enderlein von der Heuss-Stiftung erklärt die Preisvergabe-Politik: „Wir bemühen uns, gerade Initiativen, die nicht genügend Anerkennung finden, eine gewisse Öffentlichkeit zu verschaffen.“

Vor der Preisverleihung bat der DRA vergangene Woche ins Berliner Bundespresseamt. Die Treppe auf der Bühne ist so breit, daß sie selbst dem Kanzler Manövrierfreiheit böte. Stefanie Schiffer thront ungerührt hinter dem gewaltigen Podium und eröffnet die Pressekonferenz. Sie erzählt vom Beratungszentrum für gemeinnützige Basisgruppen, das der DRA als erstes seiner Projekte komplett an russische Träger übergeben hat. „Nur wenn wir es schaffen, daß man uns nicht mehr braucht, war unsere Arbeit erfolgreich“, sagt sie. Der Saal bietet sicher Platz für 200 Reporter, 8 sind gekommen. „Immerhin“, findet Rudi Piwko, der den Verein vor sechs Jahren mitegründet hat. Heute kommen etwa zwei Drittel des Jahresetats, 1,5 Millionen Mark, von der EU. Wie lange diese Mittel noch fließen werden, ist ungewiß. Wie die meisten regierungsunabhängigen Organisationen (NOGs) muß sich auch der DRA stets aufs neue um projektgebundene Fördermittel bewerben. Derzeit ist das Problem weniger ein Mangel an Geldern, als das Gewirr aus Stiftungen, Landes- und Bundesministerien. In Zukunft könnte die Theodor- Heuss-Medaille Türöffner sein.

Hildegard Hamm-Brücher war vom DRA spürbar begeistert. Obwohl sie als FDP-Politikerin und Vorsitzende der Heuss-Stiftung dem liberalen Erbe des ersten Bundespräsidenten verpflichtet ist, lobte sie im sozialistischen Jargon: „Eine außergewöhnliche Pionierinitiative“ sei der DRA. Was die Cleverneß im Umgang mit Medien betrifft, können allerdings selbst die gewieften Slawisten aus Berlin noch von Hamm-Brücher lernen. Zusätzlich zu den Bürgergruppen bedachte sie den international geachteten Theologen Hans Küng mit einer Ehrung. Denn wohlwissend, daß mit Auszeichnungen an weitgehend unbekannte Basisinitiativen nur wenig Aufsehen zu erregen ist, vergibt die Stiftung neben den Medaillen auch einen sogenannten Heuss-Preis – und der geht meist an einen Prominenten. Patrik Schwarz