Das Portrait
: Das Groupie der Familie

■ Linda McCartney

So begannen früher Popmärchen. Als die Rolling Stones 1966 in den USA landeten, erhielt die Fotografin Linda Eastman eine Audienz an Bord des Schiffes von Jagger, Richards und Co. Bald hatte sie ein ganzes Rock-&-Roll- Album auf Fotoplatten gebannt. Bob Dylan, Jim Morrison, Janis Joplin, Frank Zappa und all die anderen. Die Greatful Dead brachte sie sogar dazu, für ein Foto eine Treppe herunterzukrabbeln.

Eine Fotosession mit den Beatles hatte Linda Eastman erst 1967. Es war der Beginn einer großen Liebe zwischen Paul McCartney und Linda, die 1969 in der Ehe mündete und am vergangenen Freitag durch Linda McCartneys Krebstod in Santa Barbara, Kalifornien, auseinanderging. In 29 Jahren waren sie nur zehn Tage getrennt, als Paul wegen Marihuanabesitz in Tokio im Gefängnis saß. Paul und Linda haben drei Kinder, von denen Tochter Stella als Modedesignerin bei Cloé inzwischen ihre eigene Popkarriere entwirft. Aus erster Ehe hatte Linda ebenfalls eine Tochter.

Linda McCartney veränderte die Popgeschichte. Das männerbündische Bandmodell aus Sex and Drugs and Rock & Roll überführte sie in die Landhausidylle einer singenden Popfamilie. Dem Gefühl für den gelebten Augenblick, das ihre Fotos der Popära wie kaum etwas anderes ausdrücken, verhalf ihre Familienphantasie zu Dauer. Alle großen Balladen aus seiner Feder, bekannte Paul später, galten nach 1968 Linda. Es waren nicht immer lyrische Hochleistungen. „Lalalalala the lovely Linda with the lovely flowers in her hair“ textete er in „Lovely Linda“. Nach dem Bruch mit den Beatles gründeten Paul und Linda McCartney die Wings, bei denen Linda McCartney an den Keyboards spielte und im Hintergrund sang. „Band on the run“, und „Live and let die“ wurden Welthits. Eine der meistverkauften Singles aller Zeiten war „Mull of Kintyre“. Lediglich ein Lied, „Cook of the house“, sang sie allein. Linda McCartney war engagierte Vegetarierin und Tierschützerin sowie Verfasserin mehrerer Kochbücher. Ihre Ruf litt ein wenig, als Eßwaren, die in ihrem Namen vertrieben wurden, Fleisch und übermäßig viel Fett enthielten.

Fans haben ihr oft übelgenommen, daß sie und Yoko Ono die Beatles getrennt haben. Dabei hat sie deren Geschichte nur verändert – „with lovely flowers in her hair“. Harry Nutt