Nebenverdienst besiegelt

■ Prozeßauftakt gegen einen Beamten der Ausländerbehörde, der jahrelang mit Aufenthaltsgenehmigungen dealte

Mit Flüchtlingen aus Afghanistan war Jürgen Sch. gut Freund. Nicht, weil er sich deren Schicksale zu Herzen nahm, sondern weil er gut verdiente – an ihnen und an ihrer Notlage, amtliche Papiere zu benötigen, um sich in Deutschland aufhalten zu können. In über 50 Fällen soll der höhere Sachbearbeiter der Hamburger Ausländerbehörde zwischen 1991 und 1995 Aufenthaltspapiere an einen Mittelsmann verkauft haben. Seit gestern muß er sich dafür vor dem Landgericht verantworten. Er gestand.

Jürgen Sch. läßt die Vorwürfe unbeeindruckt an sich vorüberziehen wie ein Schuljunge die erwartete Gardinenpredigt. Es ist auch nicht das erste Mal, daß ihm vorgehalten wird, was er tat; und das erste Mal hatte ihn nicht davon abgehalten, seine Geschäfte weiterzubetreiben. Bereits 1992 war sein Büro in der Ausländerbehörde durchsucht worden. Er wurde polizeilich zu dem Vorwurf vernommen, Dienstsiegel entwendet und an einen Mittelsmann gefälschte Papiere verkauft zu haben, und für mehrere Monate wurde er vom Bieberhaus weg zur Bußgeldstelle versetzt. Zurück am alten Schreibtisch, handelte er unbeirrt weiter.

Sich das Handwerkszeug für seinen Nebenjob zu besorgen, war für Jürgen Sch. ein Leichtes. Dienstsiegel und Stempel entwendete er aus dem Schrank, in dem alle Kolleginnen abends die ihnen zugeteilten Materialien einschlossen. Die erforderlichen Aufkleber für die Aufenthaltspapiere hatte er ohnehin, ein paar schaffte er zur Seite.

Damit der Verdacht nicht auf ihn fiel, versteckte er eines Tages geklaute Siegel und Etiketten im Büro eines Vorgesetzten. In einem anonymen Fax an den Leiter des Einwohnerzentralamts, Ralph Bornhöft, beschuldigte er seinen Kollegen, die Materialien entwendet zu haben und Aufenthaltspapiere zu verkaufen. Besagter Kollege wurde entlassen, Jürgen Sch. bekam dessen Job.

1995 flogen seine Machenschaften auf. Seit März 1996 ist er vom Dienst suspendiert – unter Bezug seines vollen Gehalts. Der Prozeß wird fortgesetzt.

Elke Spanner