Babylon inklusive Brücke ist wirklich

■ Achtung! Karten für's Stones-Konzert am 2. September gibt's seit heute um Mitternacht

Pressekonferenz. Vorstellung der Rolling-Stones-Tournee „Bridges to Babylon“(vier Musiker, 46 Trucks, 100 Konzerte, worldwide): Schinkenschnittchen mit Melonenbällchen und eine Videodokumentation der Tournee. Mitten aus wild geschnittenem Bildergeflacker blitzen Furchen auf. Sie gehören Mick Jagger und sagen: „Ich lebe nicht in der Gegenwart, ich lebe im Jahr –74 oder –65.“Kollege Keith Richards: „You get the Stones at their happiest.“Und Ron Wood: „Music is the only thing.“Nicht ganz. Vom überregionalen Veranstalter Schwenkow erfahren die Bremer, daß sie im Besitz eines „herrlichen Stadions“sind, daß es sich um die teuerste Produktion aller Zeiten handelt (die vier Millionen Dollar vom Info-Zettel wirken nach soviel Grandiosität allerdings etwas mau), daß die neue Stonesscheibe die meistverkaufte CD in Deutschland sei, daß die Agentur Concert Concept mit den Stones längst schwarze Zahlen schreibt, daß erfolgreiche Konzertagenten gerne auf die grammatikalische Form des Superlativs zurückgreifen, daß sich sehr erfolgreiche Konzertagenten aber kein Erfolgsgrinsen mehr aufs Gesicht zwingen, daß sie sich endlich mal gelangweilt geben können. Außerdem: Daß Sponsoren „premium partner“heißen und ihre wichtigen Maßnahmen „big bang“(von denen es – im Unterschied zu dritten Weltkriegen – durchaus mehrere hintereinander geben kann) und daß Radeberger die „erste Pilsmarke Deutschlands“ist. Und das in Becksbremen!

Acht Konzerte waren in Deutschland geplant. Weil die Stadionkonzerte schon nach einem Tag, einer Woche bzw. drei Wochen ausverkauft waren, das „green field“(= Open air-Rasen) in Hamburg nach drei Monaten besetzt war, und in Hannover von 90.000 Karten auch nur noch 3.000 übrig sind, gibts Zusatzkonzerte in Gelsenkirchen und in Bremens herrlichem Stadion. Journalisten, die vom Veranstalter ins sonnige Rio de Janeiro zwecks Konzertsichtung – und so – eingeladen wurde, sollen bestätigt haben, daß die Stones jeden Pfennig (in Bremen im Schnitt 13000, Maximum 15800 Pfennige) wert sind. Kollektives Hämegelächter der nicht-Rio-reisenden Bremer Journaille.

Sat 1, Premium Partner Nr. 1, liefert „Medialeistungen“in Form von circa fünf bis sechs Stunden Werbespots im Wert von circa 20 Millionen Mark, und erhält dafür im Gegenzug ein erstklassiges Anzeigenumfeld (aber nicht für Beck–s) mit Interviews der Fantastischen Vier und „Truck-Fahrern, Köchen und Managern“, außerdem viele kleine Sat 1-Embleme auf Plakaten und mittlerweile schon 660.000 Karten. Radeberger, Premium Partner Nr. 2, verspricht zügigen Bierausschank und zahlt dafür an Sat 1 und Concert Concept. „Allein schon die monatelange Präsenz in Sat 1 im Tourneevorfeld macht die Sache für uns schon lohnend“, meint Axel Frech. In Amiland ist die Kooperation zwischen Medien, Marken und Popmarkt längst Usus; in Deutschland ging's erst los mit Pink Floyd und VW.

Obwohl Mick Jagger nicht im Hier und Jetzt lebt, gibt es zeitgeistige Interaktivität. Karten sind seit heute nacht, 0 Uhr, via Internet zu ordern unter httw://www.concert-concept.de. Darüber hinaus dürfen die Deutschen ebendort TED-mäßig ein Wunschliedchen wählen. Karten bei KPS

PS: „Die Brücke nach Babylon existiert übrigens ganz wirklich“, meint Schwenkow, nämlich als versenkbarer Steg, auf dem Mick Jagger übers Publikum hinweg marschiert. Von der Bühne glotzt ein riesiges videoprojeziertes Auge. Was ist schon wirklich? bk