Kommentar
: Der Amokläufer

■ Euro: Theo Waigel möchte nationale Souveränität der EU-Staaten stutzen

In Bayern ist Wahlkampf, das müssen auch die Franzosen begreifen. Da kann der Waigel-Theo keine Rücksicht auf die Empfindlichkeiten von Ausländern nehmen. Schließlich sitzen dem deutschen Finanzminister seine Münchner Parteifreunde im Nacken. Und die verlangen vom Finanzminister nicht weniger, als daß er ihre komischen Vorstellungen von Währungsstabilität in der EU durchdrückt. Konvergenzkriterien, Stabilitätspakt, nationale Sparpläne, das alles reicht Waigel nicht mehr. Jetzt sollen sich die Euro-Partner auch noch verpflichten, unvorhergesehene Zusatzeinnahmen ausschließlich zum Schuldenabbau zu verwenden.

Wenn Waigel damit durchkommt, wäre das der bisher schärfste Eingriff in die nationale Souveränität der EU-Staaten. Die Regierungen würden sich aller Möglichkeiten berauben, auf plötzliche Ereignisse wie Beschäftigungseinbrüche oder auch Hochwasserkatastrophen zu reagieren. Kein Wunder also, daß sich Frankreich dagegen sperrt, auch wenn Waigels Forderungen vor allem an Italien und Belgien gerichtet sind. Doch die beiden Länder trauen sich nicht aufzumucken, weil sich sonst in Deutschland der Eindruck verstärken könnte, sie wollten den Euro aufweichen.

Mit Vernunft hat das nicht mehr viel zu tun. Aber darum geht es Waigel und der CSU auch nicht. Daß die Schuldenhöhe auf die Stabilität der künftigen Euro-Währung kaum Einfluß hat, ist tausendmal gesagt. Der Vorstoß soll vielmehr jene überzeugen, die sich nicht vorstellen können, daß auch andere Europäer mit Geld umgehen können. Davon scheint es in Bayern und in der CSU besonders viele zu geben. Es paßt nicht in ihr Weltbild, daß alle Euro-Kandidaten in den letzten Jahren weit mehr getan haben als Deutschland, um ihren Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Die Bundesregierung hat es versäumt, darauf hinzuweisen, nicht zuletzt, um von der eigenen Schuldenpolitik abzulenken. Statt dessen vermittelt sie den Eindruck, als ob sie die anderen Länder zur Stabilität prügeln müßte. Das schafft nicht gerade Vertrauen in den Euro und belastet zunehmend die Beziehungen zu den EU-Partnern. Es wäre höchste Zeit, daß der deutsche Bundeskanzler seinen Finanzminister zurückpfeift. Aber das ist vermutlich zuviel verlangt, Helmut Kohl steht selbst im Wahlkampf. Alois Berger

Bericht Seite 8