Schrat mit Hirn

■ Mit Pere Ubu haut David Thomas weiterhin alle Gemütlichkeiten kaputt

Sie wurden aus Stahl geboren, aus dem industriellen und psychischen „wasteland“von Cleveland: Pere Ubu waren 1976 Super-Avantgarde, und sie sind es geblieben. Während die Talking Heads in New York urbane Alpträume ausbrüteten, ging es Pere Ubu um blanken Krawall – später nannte man das Dekonstruktivismus. Kommerziell natürlich ein De-saster – daran hat sich nichts geändert. Drogenunfälle und andere Unbilden erledigten die Band bereits 1982. Ein schwacher Trost nur, daß Pere Ubus Frühwerk vor zwei Jahren wieder aufgelegt wurde, nun als historische Edition. Man hört rohe, lärmende Pionier-Arbeit, die später zu Hüsker Dü und anderen Hardcore-Außenposten führten.

So ist das einzig aktive Gründungsmitglied heute David Thomas. Zwischendurch hatte er die Band schon aufgegeben, doch stets kam nach einer Weile wieder ein Album. The Story Of My Life und Raygun Suitcase waren Glücksfälle, die neue Platte Pennsylvania dagegen ist nahezu unhörbar. Thomas krakeelt und bellt unvergleichlich, doch sein Verständnis von Rock ist heillos zerfahren. Nicht anders verfährt er bei seinen Solo-Alben, die kürzlich zu der Box Monster zusammengefaßt wurden: Das Adjektiv „sperrig“ist noch eine Untertreibung. Zickig und hysterisch haut Thomas alle Gemütlichkeiten kaputt.

Der Schrat hat viel spinnerte Ideen, doch es fehlt eine schlüssige Form. Für das Album Erewhon erfand er eine komplette Topographie, eine imaginäre Landschaft: Thomas' Irgendwo. Der Einfall aber verpuffte im Nirgendwo. Auf der Bühne ist Thomas eine Show: Seine quasi-epileptischen Ausbrüche und sein schrilles Gezeter wirken wie Artikulationen eines frühvergreisten Säuglings, und bei aller Wuchtigkeit ist der dicke Mann unfaßbar grazil.

Der Bewunderer von Brian Wilson hat eine Version von „Surfer Girl“im Programm, die einer Zertrümmerung gleichkommt. Aber nein: In der Demolierung des süßen, linden Liedes scheint seine Schönheit um so gleißender auf. Dialektik und Dadaismus sind die Pole im Schaffen von David Thomas. Dazwischen tobt sich der Wahnwitz aus.

Arne Willander So, 26. April, 21 Uhr, Logo