Riskantes Spiel

■ Der große Peter Zadek wird in den kleinen Kammerspielen inszenieren

Wer sich schon heimlich auf ein Scheitern gefreut hatte, wurde enttäuscht: „Die Kammerspiele Theaterproduktions Gmbh ist allen Unkenrufen zum Trotz noch nicht pleite“, verkündete einer der beiden Anteilseigner, Ulrich Waller, auf der gestrigen Spielzeit-Pressekonferenz. Bei einer Zuschauerzahl in dieser Spielzeit von über 100.000 und einer auf 84 Prozent gesteigerten Auslastung wird sich daran vorerst auch nichts ändern. Statt dessen werden Waller und der zweite Verantwortliche, Ulrich Tukur, mutiger: „In der kommenden Spielzeit wollen wir ein riskanteres Programm wagen.“

Zwar definieren sich die Kammerspiele als „Schauspieler-Theater“, die erste Premiere wurde jedoch von einem Regisseur initiiert. Peter Zadek persönlich fragte an, ob er im Hause Gesäubert (Cleansed) der britischen Autorin Sarah Kane inszenieren dürfe. Nachdem man sich auf eine finanzierbare Fassung geeinigt hatte, durfte er; obwohl Ulrich Wildgruber warnte: „Der hat noch jedes Theater ruiniert.“Auch bei seiner Entlohnung hat Tukurs Lieblingsregisseur Abstriche hinnehmen müssen: „Zadek fragte nach der höchsten Gage, die wir je gezahlt haben“, berichtete Waller, „wir nannten sie ihm, und er akzeptierte.“Dennoch wird diese Produktion teuer, denn weder der Ausstatter Peter Pabst noch die Schauspieler, darunter Susanne Lothar, kommen für einen Appel und ein Ei an die Hartungstraße.

Neben dem Coup, den ehemaligen Intendanten des Schauspielhauses für sich zu gewinnen, nehmen sich die anderen Premieren in der kommenden Spielzeit fast bescheiden aus. Dennoch spricht auch aus ihnen die Zuversicht Wallers und Tukurs, mit anspruchsvollen Stücken das Zielpublikum des Theaters zu erreichen. So steht mit Ronald Harwoods Furtwängler, Kategorie 4 eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis des Künstlers zum „Dritten Reich“auf dem Programm. Der Komponist muß einem amerikanischen Offizier, der von Musik nichts versteht, erklären, warum er durch sein Bleiben mithalf, das Naziregime zu legitimieren.

Zwei weitere Stücke stehen in der kommenden Saison neu auf dem Spielplan. Ulrich Waller wird Becketts Glückliche Tage inszenieren, und Hautnah von Patrick Marber zeigt, wie Schauspieler-Theater auch funktionieren kann: Axel Milberg legte Tukur das Stück beim Bier in der Kneipe ans Herz.

Eberhard Spohd