Ein bißchen Armageddon

■ Amüsanter Rundumschläger Günter Ogger heute in Bremen

Er sitzt zwischen allen Stühlen! Er kritisiert unseren Kanzler wegen seiner Reformbehäbigkeit, er verachtet die Gewerkschaften, weil sie sinnvolle Arbeitspolitik mit Klientelbetreuung verwechseln, geißelt milliardenschwere Steuerbetrüger ebenso wie Abzocker von Sozialpolitik. Mit anderen Worten: Günter Oggers Platz ist der Stammtisch. Und er läßt sich dort so stilvoll nieder, daß ihn gar manche für einen mutigen Außenseiter mit eigener Stimme halten.

Den herrschenden Zeitgeist verkauft er als private Entdeckung: Es drohe das große Armageddon. Es sei denn es gibt bald: Bessere Bedingungen für Unternehmer, Abbau des sozialen Netzes und niedrigere Niedrigstlöhne unter dem miesen Vorwand einer Eigenverantwortlichkeit, die dieser Staat den meisten versagt.

Mit „Nieten und Nadelstreifen“, mehrere Wochen Hit der Spiegelbestsellerliste, befriedigte der Ex-Redakteur von „Capital“Erfolglose und Erfolgreiche durch die Demontage aller Noch-Erfolgreicheren und benannte Vergehen und Namen. Edzard Reuter und Eberhard von Kuenheim werden zur Echtzeitvariante von Dallas und Denver. Jene 1,7 Millionen, die sich selbst als Leistungsträger feiern, würden nichts anderes zustandebringen, als das Trampeln auf längst ausgetretenen Pfaden. Ihren Reichtum haben sie jedenfalls nicht verdient.

Bei der neuen Oggerskanonade „Absahnen und abhauen“ist nun definitiv für jeden etwas dabei. Hat sich ein Alt-68er etwa gerade darüber empört, daß der Profigeißler die Form des Streiks mit oggerstypischer Generalisierungslaune als „Faustrecht in der Politik“brandmarkt, wird er einen Absatz später besänftigt. Das heutige Liebedienern gegenüber dem Shareholder-value ist auch nicht gut. Wenn Ogger dann aber weitere zehn Zeilen tiefer in glattem Selbstwiderspruch die „mageren Kapitalrenditen“anmahnt, schärft sich ein Verdacht. Der Mann folgt einem Lebensprinzip: Ich klage an! Übrigens ein gutes Prinzip, das aufgrund der Wahrscheinlichkeitsrechnung viele Richtige trifft. Aber auch Falsche. Schon nach wenigen Seiten nimmt er Ausländer und Asylanten in die Mangel, und am Ende outet er ein eigenwilliges Verständnis von Bürgerlichkeit: 14 EU-Staaten „leisten sich sozialistische Regierungen. Nur noch in Deutschland und Spanien sind bürgerliche Parteien an der Macht.“

Ausländerfeind ist Ogger aber nicht. Viel schlimmer: Er ist Feind all derjenigen, die dem Bruttoinlandprodukt schaden könnten. Und die heißen dann auf der reichen Seite „Ganovenkapitalisten“, auf der armen Seite „Sozialschmarotzer“und „Kostgänger des Steuerzahlers“– mit viel Liebe zur Knackigkeit und wenig Sinn für die Gefährlichkeit von emotionalisierten Feindbildern. Lustigerweise schimpft Ogger besonders gern über das Grassieren von Neid und Mißgunst.

Auch er selbst soll dem Staat vor einigen Jahren Batzen von Steuergeldern mißgönnt haben. Vermutlich war er ein Opfer des von ihm konstatierten „Virus der Immoralität“.

Hennemann und der Bremer Vulkan auch, weiß Ogger. Mit ein Grund sich diesen Meinungsmacher anzugucken. bk

G. Ogger: „Absahnen und abhauen“, Dromer Knaur, 39.90.

Heute im Thalia Buchhaus, Sögestr. 36, 20h