Aus dem Zwielicht ins Dunkel

■ Die Schaubühne warf im Berliner Hebbel Theater die Repräsentationsmaschine an. Edith Clever führte Regie und brachte zwei Texte von Botho Strauß zur Uraufführung: „Jeffers Akt I & II“

Der Abend war lang und gespenstisch. Was ist es, das da spricht und spricht, sich in den Zivilisationsekel des Dichters Robinson Jeffers hineinarbeitet, die Haßkappe Szene für Szene tiefer zieht, sich ihrer schließlich mit großer Geste wieder zu entledigen scheint, um nach drei Stunden im Einverständnis mit dem Martyrium endlich seinen vorwurfsvollen Triumph zu erleben?

Botho Strauß hat ein neues Stück geschrieben. Oder vielmehr: Er hat einem szenisch gestalteten Porträt von Robinson Jeffers und seiner Frau Una, das bereits 1989 in „Fragmente der Undeutlichkeit“ erschien, eine szenische Fassung des Langgedichtes „Mara“ von Robinson Jeffers beigefügt. „Jeffers Akt I & II“ also wurde am Dienstag uraufgeführt. Edith Clever hat inszeniert und spielt auch mit, Bruno Ganz ist dabei, Karoline Eichhorn, Corinna Kirchhoff und Roland Schäfer. Eine Schaubühnenangelegenheit, aushäusig dargeboten im Kreuzberger Hebbel Theater. Dort wo sonst vor allem Tanz, theatralischer Minimalismus oder Crossover-Projekte zu sehen sind, wurde die Repräsentationsmaschine angeworfen.

„Ich, Jeffers, kein Städter. Ich bin einfach und monoton. Ich hasse die Straße und die eiligen, schwatzhaften Passanten. Die Häuser, aus denen die Jaultöne wie Windsäulen steigen. Gott hat zu mir gesagt: geh nach Carmel, dort ist Jeffers-Land. Geh hin, bau dir ein Haus und halte Ausschau nach mir...“ Der amerikanische Dichter Robinson Jeffers (1887–1962) war ein Aussteiger. Ein Rufer gegen die Zerstörung der Natur und gegen den Krieg, aber auch gegen die menschliche Gesellschaft, die ihm rettungslos verdorben schien. Einer, dessen Nähe man nur suchen sollte, um die eigenen Positionen zu kräftigen, nicht, um Orientierung zu finden. Der 53jährige Botho Strauß nun, selbst „kein Städter“ mehr, sondern zurückgezogen im Uckermärkischen lebend, porträtiert Jeffers mit dem Mittel der direkten Einfühlung. Er läßt ihn selbst seine Innenwelt erklären und seine Frau Una erzählen, wie sie ihn kennenlernte.

Zur Peinlichkeit, die derlei Selbstdarlegung immer hat, kommt die Bemühung um Naivität und Spontanität, die der ehemalige elegante Gesellschaftsdramatiker Strauß nur in einer Art Laubsägearbeit zu fassen kriegt: „Mein Gott, war ich verliebt, als dieser gutgewachsene Bursche in unserer Gegend auftauchte!“ Gleichwohl bleibt „Jeffers Akt I“ nicht ganz ohne Witz, den Edith Clever in ihrem hörspielartigen Arrangement auf der mit Steinen (Scholle!) belegten Drehbühne von Michael Simon auch mit eigener gütiger Stimme pointiert.

Danach dann das Martyrium eines Wackeren, der glaubt, es sei eine Wahnvorstellung von ihm, daß seine Frau ihn mit seinem Bruder betrüge. Was nicht stimmt, sie betrügt ihn wirklich, aber zu sehr auf sich selbst bezogen, um das zu merken, wird Bruce Ferguson verrückt, von der Menschen Tücke der Möglichkeit beraubt, sich von der Welt ein Bild zu machen.

„Mein Sohn“, faßt seine Mutter die Sache am Ende zusammen. „Nichts mehr wirst du vernehmen vom Krieg. Vom sich fortfressenden Feuer. Vom tief und tiefer steigenden Unheil. Vom feierlichen Rückzug der Wahrheit und mächtigen Fortschritt der Lügen. Von der Auflösung jeder Gewißheit oder Moral.“ Das ist so der Sound, und Inge Keller, die zuvor als einzige eine gewisse Ironie verwalten durfte, fügt sich hier vollkommen in das statuenhafte Geraune, das Gestelze und irre Gucken, aus dem Zwielicht ins Dunkel.

Nebel schwallt und Donner grollt, unfrohe Leidenschaft wird abgearbeitet, vom Gewürm ist die Rede, und Blut über Blut. Dazu zieht ein Schlußbild nach dem anderen auf: Bruno Ganz mit erhobenem Haupt im Hintergrund verschwindend, dann aber wieder näherkommend und weitermachend. Inventar seiner eigenen Apokalypse, kreist er am Ende starr auf der Drehbühne, dem ersten Glück entgegen: der Verdinglichung. Petra Kohse